Tang, Luis - 12 Jahre -

Arcanum Nocte

 

Es war eine klare, milde Nacht. Der Sternenhimmel und der Vollmond waren gut zu erkennen. Der Wissenschaftler und Historiker Oliver Adams fuhr in seinem alten silbernen VW über eine verlassene Autobahn. Sein Ziel war ein besonderer Ort: Stonehenge. Die weltbekannte, riesige Steinformation, die vermutlich schon in der Steinzeit errichtet wurde, zog ihn quasi magisch an. Beruflich hatte er den Ort schon einige Male besucht. Sein Haus lag nicht allzu weit weg, in der kleinen Stadt Salisbury. Mit der Zeit hatte er den Tick entwickelt, nachts, wenn er nicht einschlafen konnte, Stonehenge aufzusuchen. Oliver wusste nicht ganz warum, aber er war besessen von diesem Ort. Als Historiker waren Stonehenge und andere uralte monumentale Errichtungen sein Spezialgebiet. Aber da gab es noch mehr. Die naheliegende, von Oliver bekräftigte Theorie, lag darin, dass die Steingebilde, vor langer Zeit eine Religions- und Grabstätte war., aber auch ein Ort zum Sterne beobachten, war sinnvoll und logisch. Wenn er angekommen war, stieg er bedächtig aus, betrachtete das Monument beeindruckt, setzte sich hin und verweilte ein paar Stunden, manchmal bis zu Morgengrauen. Er tat nichts, genoss es einfach nur zu sein. Nach ein paar Minuten erblickte er den mächtigen Steinkreis. Er parkte sein Auto in sicherer Entfernung, packte seine Taschenlampe und schlich bis zum hohen Absperrzaun. Keine Wachen. Das Einbrechen ohne Eintritt zu bezahlen bedeutete jedes Mal ein Risiko, das er aber gern in Kauf nahm. Er suchte nach dem Loch und zwängte sich hindurch. Alles war noch okay. Bis jetzt wurde er noch nicht erwischt. Schließlich stand er vor dem ersten Felsen. Ehrfürchtig betrachtete er den ersten Halbkreis. Oliver spürte ganz deutlich eine starke Energie. Fast greifbar, ein mächtiges Energiefeld. Und plötzlich trat aus der Dunkelheit eine Gestalt vor. War er entdeckt worden? Aber das Wesen, das auf ihn zuging, war kein Mensch. Es war komplett schwarz und mehrere Meter groß. Die Kreatur hatte gute Proportionen, lief stolz erhoben und bedächtig, allerdings auf vier Beinen. Der Körper des Wesens war schlank und muskulös. Sein Kopf war mächtig und von einer breiten, ordentlichen Mähne umgeben. Am Rücken hingen schlabbrige Flügel. Es neigte seinen Kopf, der lang wie der eines Hundes war, aber menschliche Gesichtszüge hatte. Das Wesen senkte den Kopf immer weiter, bis er mit Oliver auf Augenhöhe war. Es betrachtete ihn aus seinen scharfen, eisblauen Augen. Er konnte nicht glauben was er sah, das war einfach faszinierend. Seltsamerweise hatte er keine Angst und verspürte plötzlich das Bedürfnis, das Wesen anzufassen. Es ließ die Berührung willig zu und es schien fast so als wollte es Kontakt aufnehmen. Seine Haute fühlte sich kalt und glatt an. Und dann, plötzlich wurde Oliver schwarz vor Augen. Es fühlte sich an als würde ihr der Boden unter den Füßen weggerissen und er sich atemberaubend im Kreis drehen. Ihm wurde schwindelig. Verdammt, was passierte? So schnell wie es gekommen war, hörte es auch auf. er öffnete vorsichtig die Augen. Es war kälter geworden. Die Nacht war jetzt dunkel und regnerisch. Oliver schaute sich um und stellte fest, dass er immer noch am selben Ort war. Nein, das war nicht der selbe Ort. Er ähnelte Stonehenge war aber irgendwie anders. Er kam auf einen Gedanken. War das Stonehenge in der Vergangenheit? Hatte die Kreatur ihn tatsächlich in die Vergangenheit gebracht? Unglaublich! Er war geschockt und erstaunt zugleich. Dann bemerkte Oliver etwas noch Merkwürdigeres. In der Mitte des Kreises stand eine Gruppe Menschen.

 

Sie waren komplett in schwarzen Umhänge gekleidet. Sie summten und murmelten laut, als würden sie beten. Offensichtlich taten sie das auch. Auf der anderen Seite des flachen Plateaus sah er einige mystische Wesen. Es war die Kreatur die er eben gesehen hatte, jetzt aber aufrecht stand und die Menschen um einiges überragte. Neben ihm war ein kräftiges, stark beharrtes Wesen mit leuchtend roten Augen. In der Mitte lag ein riesiges schlangenartiges Geschöpf mit mehren Köpfen. Die Menschen schienen diese Fabelwesen anzubeten, offensichtlich waren es ihre Götter. Stonehenge war für diese Menschen eine Begegnungsstätte. Ein Übergang zwischen dieser Welt und dem übersinnlichen Jenseits. Die Menschen legten ihren Göttergestalten Schätze und Nahrung hin. Diese nahmen alle Gaben vorsichtig an sich. Einer der Menschen löste sich aus der Gruppe. Er schritt zögerlich auf das Plateau zu und legte sich darauf. Das schlangenartige Geschöpf kam auf ihn zu gekrochen und dann riss es sein Maul auf und verschluckte den Menschen. Oliver erschrak. Er hatte das Schauspiel gebannt beobachtet. Offensichtlich opferten die Heiligen sich selbst. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Die Menschen verbeugten sich tief und stimmten wieder in ihren unverständlichen Singsang an. Eines der Wesen hob stolz seinen Kopf und blies eine kleine Lichtkugel aus. Sie zerfloss in der Luft zu einer Linie, die die Menschengruppe umrundete und Lichtstrahl in Form eines Kreises bildete. Er umschloss die Gruppe und leuchtete noch einmal extrem hell auf. Ein ehrfürchtiges Raunen ging durch die Runde. Ob das ein Schutz war? Hatten die Wesen über die Menschen im Gegenzug zu den Opfergaben einen Schutzzauber gesprochen? Die drei mystischen Kreaturen wendeten sich um und gingen sorgsam in die andere Richtung fort. Als die drei den Rand des Steinkreises erreicht hatten, schritten sie durch die Lücken zwischen den Steinen und verschwanden einfach. Wieder wurde alles schwarz. Als Oliver die Augen öffnete, war alles andere weg, es gab nur noch ihn und die Steinformationen.