Dieter Wolters

Das Versprechen

 

„Die Maus ist grau!“, ruft Katrin, und Peter ergänzt: „Der Fuchs ist schlau!“

 

Gemeinsam gucken sich die beiden das Bilderbuch von der Maus und dem Fuchs an.

 

Die Maus versteckt sich in ihrem Mauseloch, während der Fuchs davor auf Beute lauert. Die Maus wartet am hinteren Ende ihrer geräumigen Nisthöhle, dass der Räuber endlich verschwindet. Und der Fuchs? Der bemüht sich vergebens, die Erde rund um den Eingang zum Bau des kleinen Wichtes frei zu scharren. Das winzige Mäuseherz pocht derart wild und laut, dass sich die Seite im Bilderbuch tatsächlich zu bewegen scheint.

 

Katrin und Peter fühlen mit der Maus.

 „Pass auf, kleine Maus!“, rufen sie, wenn die Maus in Gefahr ist. Im Fuchs sehen sie nur den gefährlichen Widersacher. Für ihn haben die beiden Kinder nichts übrig.

 

Der Fuchs indessen scheuert sich die Pfoten wund und gibt das Scharren auf. Katrin und Peter strahlen über das ganze Gesicht. Vorsichtig lugt die Maus aus ihrem Bau heraus. Vom Fuchs ist nichts zu sehen. Nur sein Geruch liegt noch immer in der Luft. Die Maus schnüffelt genau nach allen Himmelsrichtungen.

 

Die Luft scheint sauber, und die Maus macht sich auf den Weg, Nahrung für ihre Jungen herbeizuschaffen. Da hat sie täglich viel zu tun. Unglücklicherweise tritt die Maus auf eine von Wilderern gelegte Falle, gerät in ein engmaschiges Netz und wird - hast Du es nicht gesehen? - einen Baum hochgezogen. Dort schwebt sie nun in luftiger Höhe dicht über dem Erdboden, während die Jungen vergeblich auf Nahrung warten.

 

„Arme Maus, arme Mäusekinder!“, rufen Katrin und Peter mit einer Stimme.

„Wie viel Mäusekinder sind es denn?“, möchte Katrin wissen. Peter guckt ins Bilderbuch und zählt nach: „Eins, zwei, drei, vier, fünf!“

Katrin schaut ihm dabei neugierig über die Schulter.

Peter ist sich ganz sicher. „Es sind fünf Mäusekinder!“, sagt er zu Katrin.

„Arme Mäusekinder!“, seufzen beide Kinder gemeinsam.

 

Sie blättern eine Seite im Bilderbuch um. Der Fuchs kommt vorbei, sieht die Maus in ihrer Gefangenschaft.

„Hab ich Dich endlich!“, schnalzt er mit sichtlichem Vergnügen und leckt sich mit der Zunge sein Fuchsmaul. Die Fresslust des Fuchses ist groß. Speichel tropft aus seinem Maul herab bis auf den Waldboden.

 

Katrin und Peter schauen sich an. Wie es wohl weitergeht? Abermals blättern sie eine Seite im Bilderbuch um. Die Maus bittet den Fuchs mit flehentlichem Mäusepfotenringen, ihr und den fünf Jungen zu helfen.

„Hilf mir und meinen Jungen!“, spricht sie mit ihrer ganzen Mäusekraft zum Fuchs, obwohl sie vor Angst am ganzen Mäusekörper zittert.

„Ich verspreche Dir ewige Freundschaft!“

„Jetzt wird es aber spannend!“, zittert Katrin um das Schicksal der Maus.

„Ja!“, entgegnet Peter. Beide sind neugierig auf die letzten Seiten im Bilderbuch und das Ende der Geschichte. Zu ihrem Entsetzen stellen die Kinder fest, dass die letzten Seiten im Bilderbuch fehlen.

„Das war Rolf!“, sagt Peter, und Katrin platzt aus sich heraus:

„Dann müssen wir uns den Schluss der Geschichte eben selbst ausdenken!“

„Ja, das machen wir!“, stellt auch Peter fest. Katrin lässt sich nicht lange bitten: „Der Fuchs knurrt zuerst ein wenig und verzieht das Gesicht. Dann aber stellt er sich am Baumstamm hoch und zerbeißt die Maschen jenes Netzes, in dem die Maus in Gefangenschaft um ihr Leben zittert. Wenig später plumpst die Maus aus dem Netz in das weiche Moos am Waldboden. Sie traut dem Fuchs immer noch nicht und bleibt bewegungslos an ihrem Platz liegen. Der Fuchs aber redet freundlich auf sie ein und schafft es tatsächlich, ihr Vertrauen zu gewinnen.

 

Gesagt, getan springt die Maus auf das Rückenfell des Fuchses. Schneller als der Wind zu flüstern vermag trägt der Fuchs die Maus zurück zu ihrem Bau und den fünf Mäusekindern!“

„Das ist ein schöner Schluss der Geschichte!“, lobt Peter Katrin.

„Bestimmt hat die Maus ihr Versprechen gehalten!“