Wassmuth, Klaus

Es gibt doch noch einen Weihnachtsmann

 

Der Wolfhager Busunternehmer namens Friedrich Günther mit Spitznamen „Friedolin“ genannt, ist auch hin und wieder in unserer Gaststätte.

 

Eines Tages beklagt er sich, bei den „ Schwarzen Raben“: „Mein Sohn Hans-Friedrich glaubt nicht mehr an den Weihnachtsmann“. Die „Schwarzen Raben“ stecken sofort wieder die Köpfe zusammen und machen ihm einen Vorschlag.

 

Überlass deinen „Fitti“, wieseinSohn mit Spitznamen heißt, einmal uns. Morgen kommt Willi zu dir und ihr besprecht die Einzelheiten. Schon beim nächsten Treffen sind sie sich einig, es gibt da eine ganz einfache, praktische Lösung. Sie rücken näher zusammen und unterhalten sich ganz leise, dann sind auf einmal alle Blicke auf mich gerichtet. Die wollen doch nicht schon wieder etwas von mir? Zu spät, schon drängen sie alle auf mich ein: „Klaus, du bist unsere Rettung!“ Dann klären sie mich auf, was ich zu tun habe, und versprechen mir wieder zehn Mark als Belohnung. Walter, der Stärkste von ihnen und in der Runde“ Hirsch“ genannt wird, trifft sich daraufhin am Nikolausabend mit mir vor der Wohnung des Herrn Günther in der Burgstraße. Im Ersten Stock vor der Wohnungstür muss ich in einen Kartoffelsack kriechen und „Hirsch“, der als Weihnachtsmann verkleidet ist, schwingt den Sack auf seinen Rücken. Der Sack ist ungewaschen und der Staub nimmt mir den Atem. Dann sind wir im Wohnzimmer, wo Hans-Friedrich oder“ Fitti“ wie jedes Jahr auf den Weihnachtsmann wartet. Es ist mucksmäuschenstill, doch ich muss nießen. “Jetzt hat er sich aber erschrocken“, höre ich „Hirsch“ leise sagen. Der ist ja echt, scheint „Fitti“ zu denken. Danach spult der Weihnachtsmann seine Rede ab und ich fange an zu jammern und bewege mich wie besprochen im Sack. „Fitti“ sagt kein Wort mehr und hört sich alle Vorwürfe an, die sein Vater dem Weihnachtsmann vorher aufgetragen hat. Wahrscheinlich schaut er ehrfürchtig drein und kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Er lässt alle Zeremonien über sich ergehen. Wieder vor der Tür lässt mich „Hirsch“ endlich aus dem Sack. Ich freue mich, dass alles vorbei ist, aber ich muss wieder nießen und bekomme kaum Luft. Ärgerlich schimpfe ich Hirsch an: „In dem Sack ist noch so viel Erde und Staub drin, dass ich kaum Luft bekommen habe und meine Hose und der Pulli sind ganz dreckig. Dafür will ich mindestens fünf Mark mehr haben!“

 

Meine Reklamation hat sich tatsächlich gelohnt, beim nächsten Treffen der

 

“ Schwarzen Raben“ drücken sie mir fünfzehn Mark in die Hand!

 

Eine halbe Stunde später kommt Herr Günther mit donnerndem Gelächter in unsere Gaststube „Danke Jungs! Mein Sohn glaubt wieder an den Weihnachtsmann!“ Und dann: „Klaus, bitte eine Runde Bier für alle und für dich ein Eis!“