Stiewi Dieter

Meine letzte Geschichte

 

„Kommen Sie nur!“ Sie sah mich aus durchdringenden, grünen Augen an. Mir war, als ob ein Feuer in ihnen flackere, ein tiefes, unergründliches Feuer, dessen Grund ich nicht erfassen konnte, doch dessen Hitze mich verbrannte, würde ich ihm nur nahe genug kommen.

 

Ich fror.

 

Mit einer einladenden Handbewegung wies sie über die leeren Stühle an ihrem Tisch. „Setzen Sie sich!“ Sie lächelte gewinnend.

 

Ich ließ meinen Blick durch die Kneipe schweifen: Eine Theke, vier Tische, überall Gäste in angeregter Unterhaltung. Alle Plätze waren belegt. Nur die beiden Stühle an ihrem Tisch waren noch frei. Sie lächelte mich an. Meine Nackenhaare stellten sich auf. Jede Faser meines Körpers sträubte sich dagegen, ihr näherzukommen. Doch diese beiden Stühle waren die einzigen freien Plätze.

 

„Ich beiße nicht!“, meinte sie, als habe sie meine Gedanken erraten. „Sie können sich ruhig zu mir setzen.“

„Ich weiß“, antwortete ich. Doch das war gelogen.

 

Sie lächelte.

 

Zwei leere Stühle - ich nahm es als Wink des Schicksals, schüttelte die Kälte der nächtlichen Straße ab, warf meinen Mantel über einen der Stühle und setzte mich auf den anderen. Doch die Kälte blieb. Sie strich über meine Haut, richtete die Härchen an meinem Arm auf und drang in meine Knochen.

 

Ich nannte meinen Namen.

Sie nickte. „Ich weiß.“ Ihre Stimme war warm, vertrieb die Kälte.

Ich wartete einen Moment und die Kälte kam zurück.

 

Die Wirtin reichte ihr ein Glas mit dem Bodensatz einer klaren, grünlichen Flüssigkeit. Sie nahm es mit einer ruhigen, eingeübten Bewegung entgegen und stellte es unter das dünne Ende eines Rohres, das aus einer großen Glaskaraffe herausragte, die auf dem Tisch stand. Vorsichtig legte sie einen silbernen Löffel mit einem Stück Würfelzucker auf das Glas.

 

„Sie sind Schriftsteller“, stellte sie fest.

Ich nickte. „Woher wissen Sie …?“

 

Sie sah mir ins Gesicht und lächelte. Kurz zuckte das Feuer in ihren Augen auf und ich glaubte, grüne Flammen züngeln zu sehen.

 

Sie öffnete einen kleinen Hahn und ein Tropfen kalten Wassers fiel auf den Zucker, löste einen Teil davon auf und rann schließlich durch die feinen Schlitze des Löffels in das Glas. Das Wasser hinterließ eine Spur milchiger Wolken in der grünlichen Flüssigkeit, die sich langsam vollständig auflösten. Ein schwerer Reif legte sich um meine Brust, drückte meine Lunge zusammen. War das eine Metapher? Was erwartete mich hier?

„Absinth“, meinte meine Tischnachbarin lächelnd.

Ich nickte. Ich hatte keine Ahnung, was sie mir damit sagen wollte. Deshalb setzte ich unser Gespräch fort: „Aber ich stehe erst am Anfang.“

 

Ein weiterer Tropfen kalten Wassers löste sich aus dem kleinen Kupferrohr und breitete sich auf dem Zuckerwürfel aus.

„Ich weiß“, erwiderte sie viel sagend. Ich blickte in ihre grün flammenden Augen und wusste, dass das nicht gelogen war.

 

Der Tropfen fiel vom Löffel und hinterließ eine weitere Spur milchiger Wolken im Glas meiner Nachbarin. Fasziniert beobachtete ich, wie die kleinen Wölkchen sich langsam auflösten.

„Warum lesen Sie heute nicht?“, ergriff sie das Wort erneut.

 

Ich lächelte verhalten. „Ich bin nicht berühmt genug.“

„Das kann man ändern.“

 „Sicher“, entgegnete ich.

 

Erneut löste sich ein Tropfen Wasser aus dem kleinen Kupferröhrchen, löste den Zuckerwürfel ein weiteres Mal an und stürzte sich in den Absinth.

 

Meine Nachbarin wandte ihren Blick für einen Moment zur Decke, wie um sich zu sammeln, bevor sie ansetzte: „Vincent van Gogh.“

Ich nickte.

„Edouard Manet.“

 

Ich nickte erneut.

„Henri Toulouse-Lautrec.“

„Kenne ich auch.“ Ich hatte keine Ahnung, was diese Aufzählung bedeutete, aber ich war mir sicher, dass sie diese Aussage von mir erwartete. Woher kam diese Sicherheit? Ich konnte es nicht sagen.

„Ich weiß“, erwiderte sie selbstsicher. War das jetzt gelogen? Ich wusste es nicht. Aber es interessierte mich auch nicht. Sie fuhr fort: „Doch auch sie waren einmal unbekannt, so wie Sie jetzt.“

„Natürlich waren sie das!“

 

Meine Gesprächspartnerin lächelte, als sie weitersprach. „Man hat ihnen geholfen!“

 

Ein weiterer Tropfen Wasser löste sich aus dem kleinen Kupferrohr, fiel auf den Zucker und rann durch ihn hindurch, um eine weitere milchige Wolke in den klaren, blass-grünen Absinth zu malen. Spuren der Vergänglichkeit. Parabeln des Lebens.

 

Ich fror.

„Soll ich Ihnen helfen?“

„Bei was?“ Ich blickte sie herausfordernd an.

 

Sie lächelte unbeirrt. „Soll ich Ihnen helfen, berühmt zu werden mit dem, was Sie schreiben?“

„Und wie viel Prozent wollen Sie dafür?“

 

Meine Tischnachbarin lächelte noch immer, doch für einen Moment sah ich in ihren Augen das Feuer auflodern. Helle, grüne Flammen züngelten empor, als habe man Öl über sie gegossen. Wie die Sonnenfackel einer Supernova erhellten sie ihr Gesicht, ließ es grünlich erstrahlen und verschwanden in den Tiefen ihrer Augen so schnell, wie sie gekommen waren.

 

Sie lächelte.

 

Ich fror. Ich zitterte vor Kälte obwohl die Hitze ihres Feuers meine Haut hätte verbrennen müssen.

„Nehmen Sie einen Absinth!“, meinte sie schließlich. „Im Absinth liegt die Wahrheit! Dort werden Sie den Erfolg, den Sie suchen, finden.“ Sie hatte bereits der Wirtin gewunken, die mit einem Glas der klaren Flüssigkeit an meinen Tisch kam und es vor mich hinstellte. „Ich werde Ihnen zeigen, wie es geht“, fuhr meine Tischnachbarin hilfsbereit fort. „Und Sie werden erkennen, dass ich Recht hatte.“

Daran hatte ich keinen Zweifel.

 

Ich beobachtete, wie ein wenig kaltes Wasser aus dem kleinen Kupferrohr tropfte, durch mein Stück Würfelzucker rann und von dort durch die Schlitze im Löffel in den Absinth fiel. Und ich beobachtete das kleine, milchige Wölkchen, das er hinterließ, und das sich ganz langsam auflöste und im Nirgendwo verschwand.

Es war kalt hier.

Von Ferne hörte ich ihre Stimme. „Vertrauen Sie mir!“

 

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Ohne Unterlass hämmere ich jetzt in die Tastatur meines Notebooks. Buchstabe um Buchstabe reihen sich auf dem Monitor, schieben den Cursor Zeile um Zeile über den Bildschirm bis sie den Boden des Bildschirms erreicht haben, um dann das gesamte Bild nach oben zu rollen und noch mehr Platz für weitere Buchstaben, Worte und Sätze zu schaffen. Das unablässige Geklapper der Tasten ist mein steter Begleiter seit jenem Tag vor fünf Jahren, als ich sie das erste Mal in der kleinen Absintherie traf. Ich bin danach noch oft dort gewesen, habe mit ihr gesprochen und ihren Absinth getrunken. Und mit jedem Abend sind die Ideen mehr geworden. Ich kann die Bilder vor mir sehen, die sich zu Geschichten verbinden. Bilder, die ich nur noch beschreiben muss, um die Bücher zu füllen, die Datei neben Datei auf der Festplatte meines Computers ruhen. Geschichte reiht sich an Geschichte, Roman an Roman. Ich habe die Handlungen fast vergessen, die Protagonisten und Komparsen, die ich ins Leben rief, denn bevor sie sich mir vorstellen konnten, bevor ihre Namen in meinem Gedächtnis einen Platz fanden, war ihre Geschichte bereits fertig geschrieben, und das nächste Abenteuer begann. Manchmal frage ich mich, ob ich mich wiederhole, ohne es zu merken. Manchmal denke ich sehnsuchtsvoll an die Zeiten zurück, in denen eine Geschichte in mir reifte und ich sie zusammen mit dem Computer in eine Version brachte, die gedruckt werden konnte. Heute drängen die Handlungen aus mir heraus, lassen mir keine Ruhe, keine Zeit, bis sie auf Papier gedruckt sind, und ich sie an einen Verlag schicken kann. Doch ich kann nicht auf die Antwort warten. Ich spüre, dass es weiter geht, weiter gehen muss! Die nächste Geschichte wartet schon, nimmt Form an, ballt sich in mir zusammen, wird größer und größer, bis sie schließlich nicht mehr zu halten ist und einer Flutwelle gleich über die Deiche meines Bewusstseins bricht, um durch meine Finger und die Tastatur meines Notebooks Gestalt anzunehmen. Und wieder rasen meine Finger über die Tasten, erzeugen Buchstabe um Buchstabe, Wort um Wort, Satz um Satz auf meinem Monitor.

 

Ich wende den Kopf zur Seite, ohne dass meine Finger ihr Stakkato unterbrechen. Auf meinem Nachttisch steht ein Teller mit einem Kanten Brot. Wie lange steht er schon da? Ich habe keine Ahnung. Wann bin ich das letzte Mal aufgestanden? Seit wann liege ich in diesem Bett und schreibe? Ich weiß es nicht! Die Rollläden sind herunter gelassen, die Vorhänge zugezogen. Ich kann es nicht mehr ertragen, wenn das Sonnenlicht in mein Zimmer dringt, denn mit dem Licht kommen die Schatten, Geister und Dämonen, die mich quälen, meine Finger lähmen und meine Augen schließen. Die Geschichten werden langsamer, die Bilder verblassen. Die Zeit beginnt ihr mahlendes Werk, dringt in meine Gedanken ein und versucht mich vom Schreiben abzuhalten. Und während die Bilder sich in mir zusammenballen, aufbäumen und mit ungeheurer Macht gegen meine Stirn pressen, damit ich sie heraus lasse, aufschreibe, damit sie Gestalt annehmen und für die Ewigkeit festgehalten werden, rutschen meine Finger unkontrolliert über die Tasten, verkrampfen sich und verweigern ihren Dienst.

 

Dann kommt die Nacht und Morpheus schickt Dunkelheit und abstrakte Bilder voll Schrecken und Angst. Alps wandern durch meinen Kopf, während die Augen geschlossen sind und ich in den Kissen ruhe, vielarmige, kraftvolle Monster mit zu Fratzen erstarrten Gesichtern und verzerrten Zügen. Sie jagen mich über tote Felder und durch vertrocknete Welten. Steine und Felsen, soweit das Auge reicht. Und ich renne davon, fliehe vor ihnen weiter und immer weiter, bis meine eigenen Schreie mich aufschrecken lassen und meine Finger wie von selber damit beginnen, das Erlebte in die Tastatur zu hämmern – Buchstabe um Buchstabe, Wort um Wort, Satz um Satz.

 

Ich greife zu der Kaffeetasse, die neben dem Teller mit dem Brot steht und hole sie zu mir herüber. Sie ist kalt, so kalt wie das Zimmer, in dem ich liege. Ein schillernder Film schwimmt auf der braunen Flüssigkeit, die an ihrem Grund schwappt. Ich führe den braunen, eingetrockneten Rand der Tasse an meine Lippen und lasse ein wenig der Flüssigkeit in meinen Mund laufen. Sie schmeckt bitter, mein Gaumen zieht sich zusammen.

 

Als ich die Tasse senke, schauen mich aus dem dünnen Film an ihrem Boden zwei Augen an. Ich zucke zusammen. Eine Gestalt erscheint im wabernden Nebel der Flüssigkeit, erscheint und vergeht im gleichen Augenblick. Sie kommt mir bekannt vor. Habe ich sie schon einmal gesehen? Wann? Und wo? In meiner Kaffeetasse? Oder in den düsteren Träumen meiner unruhigen Nächte?

 

Ich stelle die Tasse wieder weg und ergreife das Glas. Die milchig grüne Flüssigkeit darin verspricht Labsal und Erquickung. Ich lasse den Absinth durch meine Kehle fließen und spüre, wie die Ruhe zurückkehrt. Es wird still in meinem stillen Zimmer. Nur das sonore, ferne Brummen des Transformators meiner Nachttischlampe dringt durch meinen Bauch, während meine Ohren kein Geräusch mehr registrieren.

 

Dann vernehme ich ihre Stimme. „Ich bin gekommen.“

 

„Was willst Du?“, schmettere ich ihr entgegen, während meine Finger ununterbrochen auf die Tastatur hämmern. „Ich habe keine Zeit. Ich muss weiter schreiben!“

 

„Deine Zeit ist abgelaufen“, erwidert sie mit ruhiger Stimme und kommt in den Lichtkegel der Nachttischlampe. Wieder sehe ich das Feuer in ihren Augen flackern, ein mächtiges, grünes Feuer, das aus den Tiefen des Hades zu kommen scheint und mich verzehren will. Ich spüre seine Hitze. Die Muskeln meiner Beine verkrampfen. Der Schmerz zieht durch mein Gesäß in den Rücken. Ich will schreien, doch mir fehlt die Kraft dazu. Nur meine Finger arbeiten ohne Unterlass weiter.

 

Sie sieht mein Schmerz verzerrtes Gesicht und wiederholt: „Deine Zeit ist abgelaufen!“

 

Ich schüttele den Kopf. „Das geht nicht. Ich muss noch schreiben“, halte ich ihr entgegen, während meine Finger meine Worte in die Tastatur tippen.

 

Sie nickt nachsichtig lächelnd. „Ich weiß. Deine Geschichte ist bald zu Ende. Dann wirst du mit mir kommen, mit mir kommen müssen. Dies ist deine letzte Geschichte.“

 

„Nein, nein!“, rufe ich. „Es sind noch so viele Geschichten in mir, die geschrieben werden müssen. Ich kann nicht aufhören. Ich muss weiter schreiben!“ Das Stakkato meiner Finger hallt ohne Unterbrechung durch den Raum. Mein Blick ruht auf ihr, meine Augen sind gefangen in ihrem grünen Feuer, so dass ich nicht erkennen kann, was ich schreibe. Aber ich weiß, dass es das ist, was ich sage.

 

„Wirklich?“

 

Für den Bruchteil eines Augenblicks verharren meine Finger, erstarren mitten in ihrer Bewegung und hängen skurrilen Krallen gleich in der Luft. Sie warten, während ich in mich hinein horche. Sie warten auf das, was ich höre und spüre. Sie warten auf meine Gefühle, um sie nieder zu schreiben. Doch da ist nichts. Keine Worte, keine Bilder. Keine Geschichte, die unbedingt heraus will. Eine unheimliche Leere füllt mich aus. Eine Leere, die ich vergessen hatte. Sie greift nach meinen Armen und lässt sie auf die Bettdecke sinken. Sie werden schlaff, unfähig sich zu bewegen.

 

Erst die Hitze ihrer Stimme haucht ihnen wieder Leben ein, und sie fahren fort, das Gehörte niederzuschreiben. „Nein.“, sage ich.

 

Sie lächelt. „Siehst du. Es ist vorbei. Die Geschichten sind geschrieben und die Handlung ist beendet. Zeit für den Autor, die Bühne zu verlassen.“

 

„Nein, nein!“, begehre ich auf. Eine innere Spannung entsteht in mir, zwängt meine Lunge zusammen, verkrampft meine Arme und füllt einem riesigen Watteball gleich meinen Kopf. Und dann, wie aus plötzlicher Erkenntnis, frage ich: „Bist du der Tod? Du kannst nicht der Tod sein!“

 

Ihr helles Lachen dringt einem Glockenschlag gleich durch den Raum und ballt sich in meinem Kopf zusammen, um einem Pistolenknall gleich zu explodieren. Mein Schädel will bersten, als sie sagt: „Ich bin nicht der Tod! Aber ich bin gekommen, um dich zu holen.“

 

„Nein! Du hattest etwas versprochen! Du hattest gesagt, dass du mir helfen würdest, bekannt zu werden! Hast du das vergessen?“

 

Sie lächelt noch immer. Das Feuer ihrer grünen Augen lodert hell. Lange Flammenzungen lecken nach mir. Ihre Hitze hüllt mich ein und beginnt, mich zu verzehren. Meine Füße, die seit so vielen Tagen mein Bett nicht mehr verlassen haben, verbrennen, schmelzen und vergehen. Ich kann sie nicht mehr spüren. Doch das Feuer frisst weiter an mir.

 

Die Frau mit den grünen Augen lächelt, während sie antwortet: „Ich vergesse nichts! Wann warst du das letzte Mal draußen?“

 

„Ich weiß es nicht mehr!“

 

„Stimmt“, entgegnet sie. „Die Zeit ist weiter gelaufen, während du hier drinnen deine Geschichten geschrieben hast. Dein Name ist bekannt geworden. Am Ende des Jahres wirst du berühmt sein.“

 

Sie lächelt, während mir die Worte im Hals stecken blieben. Ich will aufspringen, doch meine Beine versagen mir den Dienst. Sie knicken weg, als die Füße den Boden berühren, und mein Leib kracht vor dem Bett auf die Dielen. Die Welt beginnt sich um mich zu drehen. Mein Körper ist willenlos. Ich zwinge ihn aufzustehen, aber er rührt sich nicht mehr. Nur meine Finger wollen unentwegt weitertippen. Ohne dass ich sie lenken kann, gehen sie auf die Suche nach meinem Notebook, finden es, ziehen es zu mir herunter und schreiben, schreiben was meine Augen sehen und meine Ohren hören.

 

Ich höre mich sagen: „Ich bin berühmt?“

 

Sie lächelt. Doch es ist ein kaltes, siegesgewisses Lächeln. Es ist so kalt wie das Feuer ihrer Augen. Und genauso tödlich. Mit einem Mal ist mir klar, dass sie Recht hat, dass diese Worte die letzten sind, die meine Finger in den Computer hämmern.

 

„Wenn sie dich hier in deiner Wohnung finden werden, wirst du berühmt sein.“ Nicht ein Hauch von Mitleid schwingt in ihrer Stimme mit. „Man wird deine Romane auf deiner Festplatte finden und die Kritiker werden sich übertrumpfen in Lobgesängen über deinen morbiden Stil. Noch in hundert Jahren werden sie deine Geschichten lesen.“

 

„In hundert Jahren?“ Ich versuche in letztes Mal mich aufzubäumen. „Was nützt mir der Erfolg, wenn ich tot bin?“

 

„Davon war nie die Rede gewesen“, erwidert sie süffisant.

 

„Habe ich einen Vertrag mit dem Teufel gemacht?“

 

Sie lacht. „Man hat mich verteufelt, aber bin nicht Luzifer.“

 

„Wer bist du dann?“ Mit letzter Kraft stoße ich die Worte hervor.

 

„Ich bin die Grüne Fee“, entgegnet sie lächelnd, beugt sich zu mir herunter und küsst meine Lippen. Es ist ein heißer, inniger Kuss, dessen Hitze tief in mich eindringt. Einem heißen, grünen Feuer gleich schmilzt sie den letzten Widerstand. Und das Letzte, was ich höre, ist ihre klare Stimme. „Ich bin deine Inspiration, deine Kreativität, dein Leiden und dein Tod. Ich bin der Absinth ...“