Stegmann, Christa

Erlösende Worte

 

Er saß in einem Regal zwischen vielen anderen Teddybären. Sie hatten ihm ein Preisschild ans Ohr geknipst und nun wartete er darauf gekauft zu werden. „Niemand würde das tun“, überlegte er sich. „Musste man nicht flauschig, dick und rund sein um den Kindern zu gefallen?“ Sein Bauch war leider flach, das Fell kurz und die Arme hingen an seinem dünnen Körper schlaff herunter. Er fühlte sich hässlich! „Mich kauft bestimmt niemand zum Weihnachtsfest“, sagte er sich immer wieder. Nur die Worte einer Verkäuferin trösteten ihn ein bisschen. Sie sagte zu einer Kollegin: „Guck mal was der für schöne Augen hat, ganz dunkel und so tieftraurig.“ Lachen konnte er nicht, denn man hatte ihm in der Fabrik die Schnauze zugenäht. Dadurch wirkte er ernst und nachdenklich. Wenn man an einer Schnur zog, die mit einem kleinen Ring in seinem Rücken befestigt war, sagte er mit einem tiefen Brummton: „Ich hab’ dich lieb!“. „Wahrscheinlich wird nie jemand diese Worte von mir hören“, seufzte er innerlich.

 

Täglich kamen Leute in den Laden und suchten Puppen und Teddys aus, aber niemand wählte ihn. Er hatte furchtbare Angst als Einziger auf dem Regalbord zu bleiben. Nachts konnte er sich entspannen, da war das Geschäft geschlossen und er träumte davon dick, rund und begehrt zu sein. Ihn wollten alle haben und um ihn stritten sie sich. Sobald er erwachte wusste er wieder, dass dieser Tag nie kommen würde. Langeweile hatte er nicht, denn durch die Schaufensterscheibe sah er die Schneeflocken zur Erde tanzen, beobachtete die Menschen wie sie Tannenbäume vorbeischleppten und wunderte sich darüber.

 

Eines Tages betrat ein kleines Mädchen an der Hand seiner Mutter den Spielzeugladen. Beide sahen sich um und nahmen Verschiedenes in die Hand. Der Teddy guckte gerade traurig und hoffnungslos vor sich hin, als ihn das Mädchen entdeckte. „Den möchte ich haben, Mama!“ sagte es ganz bestimmt und zeigte mit dem Finger auf ihn! Wirklich auf ihn! Er konnte es nicht fassen und beinah’ wäre er vom Regal gefallen, als er sich dem Mädchen zuneigte. „Wieso denn diesen Teddy?“ hörte er da die Mutter fragen. „Die anderen sind doch viel schöner! Sieh’ mal, der daneben sieht viel lustiger aus und der darüber hat sogar eine rote Latzhose an.“ „Wieder nichts“, dachte der Bär maßlos enttäuscht. „Ich will aber den mit den dunklen Augen. Mama bitte, den wünsche ich mir!!“ hörte er die Kleine sagen.„Na komm“, wir sehen uns noch etwas anderes an“, meinte nun die Mutter und entsetzt sah er, wie sie ihre Tochter aus dem Laden zerrte. „Beinah’ wäre ich gekauft worden, denn das niedliche Mädchen mochte mich. Vielleicht kommen sie doch noch um mich zu holen“, malte er sich aus. „Kleine Kinder konnten hartnäckig sein, und wenn er Glück hatte gelang es ihr die Mutter zu überzeugen.

 

Er wartete nun täglich auf sie. Immer wenn sich die Tür öffnete hoffte er, dass das kleine Mädchen in den Laden käme. Waren es andere Leute, so beachtete er sie nicht und war auch gar nicht traurig, wenn sie einen anderen Teddybären auswählten. Er gehörte nur ihr, das fühlte er. Sie wollte ihn haben und er liebte sie dafür. Wenn sie es nicht schaffte, ihn am Weihnachtsabend zu bekommen, dann brauchte ihn keiner haben. Der Teddy wurde viel selbstbewusster und fühlte sich gar nicht mehr hässlicher als die anderen, nur anders!

 

Die Zeit verging, die Regale wurden leerer und der Bär saß immer noch aufrecht auf seinem Platz. Seine runden Knopfaugen wirkten noch dunkler, denn langsam verließ ihn die Hoffnung, dass sich die Tür öffnen und die Kleine hereinstürmen würde. Eines Tages, kurz vor Ladenschluss betrat ein vornehm gekleideter Mann das Geschäft. Er ging direkt auf ihn zu und ehe er sich von seiner Überraschung erholt hatte, wurde er aus dem Regal gerissen und zur Kasse gebracht. Die Verkäuferin strich ihm noch einmal über das Fell, entfernte den Preis und legte ihn in einen hübschen Karton. „Nun ist alles aus, nie werde ich sie wiedersehen“, konnte er nur denken, während er wie betäubt weggetragen wurde.

 

Tagelang tat sich nichts und er hatte Zeit darüber nachzudenken, wozu so ein großer Mann einen Teddy haben wollte. In seinem Karton hatte er jedes Zeitgefühl verloren, er wusste nicht ob es Tag oder Nacht war. Deshalb erschrak er sehr, als sich die Schachtel bewegte und sich jemand daran zu schaffen machte. Er wurde ans Licht gezogen und blickte direkt in die strahlenden Augen des kleinen Mädchens. Sie jauchzte vor Freude, drückte ihn fest an sich und tanzte mit ihm im Zimmer herum. Dort stand ein Tannenbaum und seine Lichter spiegelten sich im Glanz der Kugeln wieder.

 

Es roch nach Mandarinen und Lebkuchen und er wusste, heute war der besondere Abend den sie „Heilig Abend“ nannten. Im Laden hatte er oft davon gehört, aber nie konnte er ahnen, dass es so schön sein würde.

 

„Du hast den Richtigen erwischt“, hörte er die Frau sagen und sah, wie sie ihren Mann liebevoll ansah. „Deine Beschreibung war nicht mißzuverstehen“, gab er zurück und lächelte. Gerade als der Teddy dachte er könnte es nicht mehr aushalten vor Glück, da zog des kleine Mädchen an seiner Schnur und er brummte erleichtert:

 

„I C H H A B’ D I C H L I E B!“