Stegmann, Christa

Das Schwein Kunibert

 

Es war einmal ein dickes, fettes Mastschwein. Das lag den ganzen Tag im Dreck und ließ es sich richtig gut sein. Es fraß was ihm vor die Schnauze kam, und fühlte sich schweinewohl dabei. Der Bauer war sehr zufrieden mit dem Schwein, denn täglich wurde es etwas dicker. In Gedanken hatte er es längst zerlegt. Er sah schon den saftigen Schinken vor seinen Augen, die leckere Nackenkarbonade und die knusprige Schwarte.

 

Eines Tages trieb sich die Hauskatze im Stall herum, und weil sie gerade nichts zu tun hatte, wollte sie das Schwein ein bisschen ärgern und aufregen. „Sieh mich an“, sagte die Katze, „wie ich geschmeidig bin und durch jedes Zaunloch passe. Du würdest da glatt steckenbleiben!“

 

„Stimmt“, grunzte das Schwein, „aber wer sagt denn, dass ich da überhaupt durch will? Ich habe hier alles was ich brauche. Futter soweit die Schnauze reicht, ein Dach über dem Kopf und einen Menschen, der täglich nach mir sieht und sich freut, wenn ich wachse.“

 

„Du dummer, vertrauensseliger Speckhaufen“, fauchte die Katze, „was meinst du weshalb er nach dir sieht? Schlachten und zerlegen wird er dich, pökeln und räuchern. Deine Schinken werden meistbietend verkauft werden. Ist es das was du willst?“

 

„Angenommen du hast recht“, grunzte das Schwein schon viel leiser, und dabei guckte es ganz betrübt, „was kann ich schon dagegen tun?“

 

„Mir fällt da etwas ein“, miaute die Katze, der das Schwein jetzt leid tat. „Du brauchst einen Namen, denn wer von uns Tieren einen Namen hat, kommt nicht so leicht zum Schlachthof und in den Suppentopf. Ich nenne dich Kunibert, wie gefällt dir das?“ Das Schwein quiekte laut vor Stolz und Vergnügen, und damit war es eine abgemachte Sache.

 

„Nun muss noch dein Mensch merken, dass du eine eigene Persönlichkeit bist“, dämpfte die Katze die Schweinefreude. „Dazu gehört ein fester Wille, denn natürlich musst du abspecken und zwar so enorm, dass es sich nicht mehr lohnen würde, dich zum Schlachter zu bringen. Mach’ einfach eine Art Trennkost, so wie mein Mensch. Iss von dem Schweinefraß nur das Obst und die Gemüsestücke und lass’ den Rest übrig“. Die Katze war total erschöpft von ihrer langen Rede, während Kunibert aufmerksam lauschte. Sein kleiner Ringelschwanz zuckte vor Aufregung und Unternehmungslust.

 

„Du musst dich auch viel bewegen, denn sonst kommt dein Speck nicht in Wallung. Sieh’ zu, wie du das in deinem Stall hinkriegst, aber das hilft. Jeden Tag werde ich nach dir sehen“, und wutsch, verschwand die Katze durch das Zaunloch.

 

Am folgenden Morgen konnte man Kunibert sehen, wie er auf dem Rücken lag und mit den Beinen strampelte, dann mehrere Rollen seitwärts drehte, um anschließend unter lautem Gequieke einen Luftsprung zu starten. Als der Bauer kam und das sah, traute er seinen Augen nicht. Es sah so putzig aus, wie Kunibert sich mühte, dass er lachen musste. Deshalb kam er am nächsten Tag mit seiner kleinen Tochter zum Stall. Beide blickten staunend auf das muntere Schwein. Sie sahen aber nicht, dass Kunibert nicht mehr alles in sich hineinfraß, sondern sortierte. Täglich besuchte ihn die Katze und schnurrte vor Vergnügen, über die nun schon sichtbaren Erfolge ihrer Ratschläge.

 

Eines Tages merkte auch der Bauer, dass sein dickes, fettes Schwein immer schlanker wurde. Daraufhin ließ er sofort den Tierarzt kommen, der Kunibert genau untersuchte. Anschließend sah er dem Bauern ernst in die Augen und sagte, „ich habe in meinem ganzen Leben noch nie ein so gesundes Schwein gesehen.“

 

Jammernd verwies der Bauer auf die fehlende Verkaufsmöglichkeit bei diesem dünnen Tier. „Besonderheiten verkauft man auch nicht“, rief der Tierarzt und fuhr lachend davon.

 

Das brachte den Bauern auf eine Idee. Er kaufte Kunibert einen Sattel, Zaumzeug aus hellblauem Leder und ließ seine kleine Tochter auf ihm reiten. Kunibert war glücklich und hatte keine Angst mehr vor dem Schlachter. Die Zeiten, wo er sich im Dreck wälzte, und sich noch wohl dabei fühlte, waren vorbei. Neuerdings wurde er geduscht und die Kleine fütterte ihn mit dem schönsten Obst und Gemüse. Das Beste war aber sein Kosename.

 

„Schweinichen“, nannte sie ihn ganz zärtlich. Das klang klein und zart. Genau so, wie er sich jetzt fühlte.