Stegmann, Christa

Bewegender Ruhestand

 

Als die Sachen laufen lernten, da waren wir gerade in den „Ruhestand“ getreten. Was heißt hier überhaupt „getreten“? Wenn ich bisher in was „getreten“ war, dann immer in Scheiße und das war sehr ärgerlich. In den Ruhestand wollen aber alle treten und viele sehnen sich sogar danach, also erwarten sie offenbar was Anderes und vor allem etwas Schöneres.

 

Ich hatte da gleich so meine Zweifel, denn warum fragten uns die Leute, die schon länger „drin waren“, ob es denn bei uns schon bald soweit wäre. Diese Frage stellt man doch sonst nur Schwangeren. Wenn wir das bejahten, sahen sie sich wissend an, lächelten vielsagend und ich könnte schwören, ein bisschen schadenfroh. Die Andeutungen, dass es erst einmal eine große Umstellung wäre, man da aber „durch“ müsste, waren auch nicht gerade ermutigend! Wo müssen wir erst einmal durch, doch hoffentlich nicht durch Sch….? Ich war gespannt!

 

„Ruhe“-stand hört sich doch so an, als wenn sich ab jetzt nichts mehr bewegen würde, so nach Stillstand. Also das traf bei uns nun wirklich nicht zu, denn bei uns bewegte sich plötzlich alles. Sogar die Sachen, die ich mir wohl überlegt schon mal rausgelegt hatte, weil ich sie nicht vergessen wollte. Irgendwie war es schon unheimlich. Ich zweifelte zeitweilig an meinem Verstand, denn ich hätte schwören können, dass ich das Vermisste eben noch gesehen und in der Hand gehalten hatte. Offenbar war es still und leise davon geschlichen, während ich nur mal kurz aus dem Zimmer ging. Nun suchte ich an allen möglichen und unmöglichen Orten danach, um es schließlich am gewohnten Platz zu finden!

 

Manchmal vergaß ich auch etwas mitzunehmen oder damit zu tun, weil es einfach aus meinem Blickfeld entschwunden war. Wo war es aber hin und vor allem wie oder wodurch war es entschwunden? Da konnte doch nur einer nachgeholfen haben und das war mein Mann! Danach befragt, meinte er schlicht: „Ich dachte, was soll das hier, es gehört doch ganz woanders hin und dort habe ich es eben wieder hingestellt.“

 

Ja, darin liegt das Problem. Früher hat mein Mann in der Firma „gedacht“. Nun macht er das vorwiegend zuhause und das brachte unseren Haushalt ziemlich durcheinander. Merkwürdig, dass er gar nicht erst auf den Gedanken kam, dass auch ich mir etwas dabei gedacht haben könnte … Leider denkt meine bessere Hälfte zu viel und redet zu wenig. Was ich aufbaue, das reißt er nieder. Da lagen meine Nerven dann schon mal blank und es kam zu mehr oder weniger harten Disputen.

 

Denn natürlich weiß auch nur er wie die Waschmaschine am effektivsten zu befüllen ist. Es muss viel mehr Wäsche rein und das Waschpulver zur Hälfte wieder raus.

 

Der Geschirrspüler wurde nun generalsstabsmäßig nach einem imaginären Plan eingeräumt und ich fragte mich wirklich, wie ich die letzten 40 Jahre ohne seine fachliche Hilfe auskam.

 

Ja, mein Mann organisierte unseren Haushalt neu und ich konnte nur staunen oder mit den Zähnen knirschen.

 

Inzwischen haben wir aber unsere Reviere abgesteckt und wie Sie sehen, ich schreibe jetzt, arbeite mich beim Sport aus und überlasse ihm das Feld. Neulich trafen wir Bekannte, die das alles noch vor sich haben. Ich sah diese gewisse Vorfreude in ihren Augen, musste unwillkürlich schmunzeln und hörte mich fragen: „Wann ist es denn soweit?“