Schuhmacher, J.

Eine unerfüllte Liebe

 

Robert war dreiundvierzig Jahre alt, ein Meter und siebenundachtzig cm groß, muskulös und achtzig Kilo schwer. Geboren war Robert in Koblenz, aufgewachsen in Mainz, und seit elf Jahren wohnte Robert in Trier. Robert war von Beruf Schornsteinfeger und so stieg er Tag für Tag außer am Wochenende anderen Leuten aufs Dach. Mit Frauen hatte Robert so seine Probleme, seit er mit siebzehn seine erste Freundin hatte, und diese Beziehung nach drei Monaten schon beendet war. Er hatte nie eine Beziehung mit einer Frau die länger als zwölf Wochen dauerte. Da Robert es bestimmt schon mit mehr als zwanzig Frauen in den letzten sechsundzwanzig Jahren versucht hatte, musste das Problem wohl bei ihm liegen und nicht bei den Frauen. Weil es auch immer die Frauen waren, die die Beziehung zu ihm abbrachen, und ihm mehr oder weniger zu verstehen gaben, das er ihnen zu stürmisch war. Robert konnte und wollte das so nicht hinnehmen, er wollte eine Frau, er wollte sie besitzen. Da all seine Bemühungen eine normale Beziehung mit einer Frau einzugehen damit endeten, dass er von ihr verlassen wurde, wollte Robert es jetzt auf eine andere Art versuchen. In Konz, ca. dreizehn Kilometer von Trier entfernt, hatte Robert sich ein Wochenendhaus gemietet. Ruhig gelegen, der nächste Nachbar ca. zwei Kilometer entfernt. Robert war auf seinem gemieteten zwölfhundert Quadratmeter großen Grundstück mit Wochenendhaus zwei Zimmer Küche, Bad mit WC und einem großen Kellerraum der Chef. Hier konnte er tun und lassen was er wollte. Abends nach Feierabend fuhr er oft noch zu seinem Wochenendhaus, denn es gab hier immer was zu tun, und für seinen Plan, den er seit ein paar Tagen im Kopf hatte, fand er hier die Ruhe und die Kraft, wieder und wieder alles durch zu gehen, damit er keinen Fehler begehen würde. Den Keller seines Wochenendhauses so umzubauen, das er schalldicht und komplett ausgepolstert ist, war bei seinen handwerklichen Fähigkeiten kein Problem. Sein Plan war es eine Frau, die er sich noch aussuchen würde, zu entführen, und in seinem Keller solange gefangen zu halten, bis sie ihn nicht mehr verlassen wollte. Robert wollte sich sein Glück und die Liebe einer Frau erzwingen. Er baute im Keller eine Toilette, Waschbecken, Dusche, und einen riesigen Spiegel ein, kaufte Bett, Schrank und alles was eine Frau so seiner Meinung nach brauchte, um mit ihm glücklich zu sein. Robert hatte von seinen ersparten achtundsiebzigtausend Euro schon sechzehntausend Euro für Umbau und Möbel ausgegeben. Aber wenn er dafür eine Frau fürs Leben bekommen würde war es ihm das Wert. Die Frau die Robert sich aussuchen wollte, sollte seiner Meinung nach am besten eine Touristin sein. Die würde man, wenn sie alleine und am besten noch mit ihrem PKW angereist war, nicht so schnell vermisst werden. Von seinem Arbeitsplatz aus sah Robert des Öfteren Frauen. Von den Dächern auf denen er ein großen Teil seiner Arbeitszeit verbrachte, konnte er in die Fenster der umliegenden Häuser schauen. Dort gab es für Robert oft etwas zu sehen, sogar halbnackte und auch nackte Frauen, die aber für ihn vom Dach aus unerreichbar waren. Aus diesem Grund arbeitete Robert im Gegensatz zu seinen Kollegen, die lieber im Keller an den Heizungsanlagen Messungen vornahmen und sich dabei die Hände nicht schmutzig machen, lieber auf den Dächern im Freien. Die Arbeitszeit von Robert war von Morgens sieben Uhr dreißig bis Nachmittags um sechzehn Uhr dreißig, und von zwölf Uhr bis dreizehn Uhr war Mittagspause. Fünf Tage in der Woche, von Montag bis Freitag. Er wohnte in der Paulinstraße, Ecke Maximinstraße im ersten Stock in einem zweiundfünfzig Quadratmeter großen Apartment, das war nahe am Zentrum und die Miete war nicht so teuer. Robert ging nach der Arbeit immer sofort nach Hause um sich zu waschen und etwas anderes anzuziehen. Im Gegensatz zu sonst wo er meist nach Waschen und Umziehen mit seinem Wagen einem Polo, zu seinem Wochenendhaus fuhr, ging Robert zu Fuß die Paulinstraße hoch Richtung Porta Nigra, weil an der Porta sich um diese Zeit viele Touristen aufhielten. Wenn an der Porta nichts Passendes dabei war, ging er weiter Richtung Hauptmarkt, von dort aus zum Dom. Wo sich das gleiche Spiel wie an der Porta wiederholte. Vom Dom aus schlenderte er zur Basilika um von dort aus durch den Palastgarten zu streifen und nach dem Objekt seiner Begierde zu suchen. An manchen Tagen ging er auch an die Mosel um dort am Zurlaubener Ufer, Kaiser Wilhelm Brücke und Moselkran entlang zu schlendern und sich die Touristinnen an zu sehen. Robert hatte eine Frau, Ende dreißig ausgemacht, und hatte sie nun schon mehrere Tage beobachtet. Sie wohnte in Mercure Hotel, gar nicht soweit weg von seinem Apartment. Ihren Wagen hatte sie auf dem Hotelparkplatz stehen, das wusste er weil er sie mit ihrem Wagen schon bis nach Bernkastel-Kus verfolgt hatte. In Bernkastel war sie in ein Cafe gegangen und hatte dort an einem Fenstertisch Platz genommen, sich eine Tasse Kaffee und ein Stück Käsetorte bestellt. Er ging ihr hinterher, fragte sie ob er an ihrem Tisch Platz nehmen dürfte, und stellte sich als Wolfgang Hauser aus Kaiserslautern vor. Im Gespräch das er mit ihr führte, erfuhr er von ihr das sie aus Berlin komme, Hannelore Laudwein, hieß alleine Lebte, und sich in Trier, was er ja schon wusste im Mercure Hotel für vierzehn Tage ein Zimmer gemietet hatte. Sie erzählte ihm das sie sich die Umgebung von Trier ansehen würde, Abends im Spielcasino noch ein paar Euro am Roulett gewinnen oder verlieren würde, und noch fünf Tage in der Region bleiben würde. Da es Donnerstag war verabredeten sie sich für Sonntag in Kaiserslautern, denn sie wollte sich Kaiserslautern auch noch gerne ansehen. Als sie sich vor dem Cafe verabschiedeten sagte er ihr er hätte seinen Wagen in einer anderen Richtung geparkt, damit sie nicht seinen Wagen und sein Kennzeichen sehen würde. Er wartete noch eine Stunde bevor er sich auf den Weg nach Hause machte. Ein Gefühl von Glück machte sich in ihm breit nur wenn er daran dachte seine Hannelore gefunden zu haben, denn das Hannelore, die noch nichts von ihrem Unglück ahnte, die Seinige war, das war für ihn so klar wie eine frisch geputzte Fensterscheibe. Freitag und Samstag verbrachte Robert mit der Vorbereitung der geplanten Entführung. Er hatte sich schon Wochen vorher über das Internet Betäubungstropfen und Chloroform besorgt. Alle Vorbereitungen waren abgeschlossen. Es war Sonntag und er schon in Kaiserslautern, eine Stunde vor der vereinbaren - ten Zeit, Treffpunkt war der Parkplatz eines großen Einkaufzentrums, das natürlich heute geschlossen hatte. Er hatte diesen Treffpunkt ausgewählt damit sie ungestört waren, und er ihr glaubhaft vermitteln konnte, dass sie sich so nicht verpassen könnten. Seinen Wagen hatte er so geparkt, das man ihn nicht direkt sehen konnte, er aber den Parkplatz ganz überwachen konnte. Hannelore traf zehn Minuten vor der vereinbarten Zeit auf dem Parkplatz ein. Robert spürte, wie ein Gefühl von Wärme und Glück seinen Köper durchflutete als er Hannelore sah, denn er hatte bis zum letzten Moment befürchtet das sie aus irgendeinem Grund nicht kommen könnte. Aus dem Winkel, den Hannelore aus ihrem Fahrzeug nicht einsehen konnte, schlenderte er zu Fuß, in der rechten Hand eine Tasche in der sich zwei Becher, eine Warmhaltekanne mit Pfefferminztee, Betäubungstropfen, Klebeband und eine undurchsichtige Kapuze befanden auf ihren Wagen zu. Hannelore bemerkte ihn erst als er auf der Beifahrerseite an die Scheibe klopfte. Sie öffnete ihm die Tür und sagte hallo Wolfgang, auch er begrüßte sie sehr herzlich in dem er sagte, hallo Hannelore, schön dass du da bist, ich freue mich riesig. Er stieg ein, öffnete seine Tasche, nahm die beiden Becher und die Kanne mit dem Pfefferminztee heraus und sagte zu ihr dass er zur Begrüßung einen Schluck Pfefferminztee mitgebracht hätte. Die Tropfen hatte Robert schon vorher in die Teekanne gegeben, und Hannelore freute sich, denn sie hatte ihm bei ihrem Gespräch in Bernkastel erzählt, das sie gerne Tee trank. Robert füllte also die beiden Becher mit dem mitgebrachten Tee, und prostete ihr zu. Hannelore trank einen riesigen Schluck und leerte den Becher in zwei Zügen. Robert hatte nichts getrunken und wartete auf die Wirkung des Tees auf Hannelore. Sie sagte noch ein paar belanglose Worte zu ihm und meinte dann, das ihr auf einmal so schwindelig wäre. Sekunden später war Hannelore bewusstlos. Robert schaute sich um, ob nicht zufälligerweise ein Spaziergänger sie beobachtet hatte, aber er konnte weit und breit nichts dergleichen feststellen. Er stieg aus ihrem Wagen aus und eilte zu seinem Wagen, mit dem er dann neben den Wagen von Hannelore fuhr. Robert hielt nochmals Ausschau nach ungebeteten Beobachtern, aber es war niemand zu sehen, es war ein guter Platz den er für sein Vorhaben ausgesucht hatte. Robert zog Hannelore, die bewusstlos hinter dem Steuer ihres Wagens saß, von ihrem Sitz und legte sie auf die Rückbank seines Wagens. Danach nahm er alle persönlichen Gegenstände von Hannelore aus ihrem Fahrzeug und legte sie in sein Fahrzeug, wischte seine Fingerabdrücke an ihrem Fahrzeug ab, schaute sich nochmal nach Zeugen um und fuhr los in Richtung Trier. Unterwegs hielt er auf einem unbesuchten Parkplatz an, um die Bewusstlose zu fesseln, knebeln und ihr die Kapuze überzuziehen. Eine Decke, die er extra dafür mitgenommen hatte, legte er über sie, damit man sie von außen nicht entdecken konnte. Sein Herz machte einen Sprung, als er mit seinem Polo durch Trier auf dem Weg nach Konz zu seinem Wochenendhaus, auf der rechten Seite hoch oben auf dem Berg die Mariensäule erblickte. Da Robert katholisch erzogen war, war für ihn ganz klar, dass Gott es so wollte mit ihm und Hannelore, eine Fügung des Schicksals. Am Wochenendhaus angekommen, war es schon Nachmittag und Robert musste Hannelore, die aus ihrer Betäubung zu erwachen schien, mit etwas Chloroform nachhelfen, denn er konnte sie erst ins Wochenendhaus bringen wenn es dunkel geworden war und er sich vor Beobachtern sicher fühlte. Um einundzwanzig Uhr dreißig war es endlich so weit, er hob sie aus seinem Wagen, die Decke noch über ihr, und brachte sie in den vorbereiteten Kellerraum. Dort angekommen zog er ihr Schuhe, Jacke, Kapuze und ihre Fesseln aus, und kettete sie an die am Bett befindliche Vorrichtung, damit sie sich im Raum bewegen konnte, und Dusche, Waschbecken und Toilette benutzen konnte. Robert durchsuchte ihre Sachen, und alles was seiner Ansicht nach unbedenklich war, brachte er ihr in den Kellerraum. Es dauerte über zwei Stunden bis Hannelore wieder zu sich kam. Er hatte auf einem Stuhl neben der Einganstür gesessen und ihrem Aufwachen entgegen gefiebert. Nun war es soweit. Robert hoffte natürlich, dass sie ihn verstehen würde und sich schnell an ihn gewöhnen könnte. Aber es kam anders. Hannelore musste sich nach ihrem Erwachen übergeben und wie sie ihn erblickte, fing sie sofort an zu schreien, solange bis er den Kellerraum verließ. Es war schon morgens fünf Uhr dreißig als er das Wochenendhaus verließ um pünktlich auf seiner Arbeit zu sein. Den ganzen Tag war Robert nicht so richtig bei der Sache. Lustlos kehrte er Schornsteine und auch was sich hinter den Fenstern der Umgebung tat, interessierte ihn nicht. Er hatte nur Hannelore im Kopf, es war überhaupt nicht so gelaufen wie er es sich vorgestellt hatte. Nach Feierabend fuhr er sofort ohne sich zu waschen oder umzuziehen zum Wochenendhaus. Als er ankam, horchte er, aber es war nichts zu hören, sein Keller war also schalldicht. Im Keller angekommen Öffnete er langsam die Kellertür, schon nach einem kleinen Spalt offen, ging das Geschrei im Keller los. Jetzt wo sie wusste dass er im Haus war, schrie sie wie am Spieß. Nach Stunden, er wusste nicht mehr wie lange sie schon so schrie, hielt er es nicht mehr aus. Er Öffnete die Tür, ging zu der schreienden Hannelore hin und drückte ihr ein von ihm vorher vorbereiteten Tuch mit Chloroform, vor Nase und Mund. Sekunden später war Hannelore bewusstlos. Robert stand vor der Bewusstlosen und schaute sich um, sie hatte nichts gegessen und auch nichts getrunken. Das konnte so nicht weiter gehen, aber was sollte er machen, so bald sie erwachte, würde sie sofort anfangen zu schreien wenn sie ihn sehen würde. So vergingen mehrere Tage, sie hatte zwar zwischendurch etwas Wasser getrunken, aber nichts gegessen und schrie wenn sie ihn erblickte immer noch. Am vierten Tag nach der Entführung las er im Trierer TV, dass eine Touristin aus Berlin, die in einem Trierer Hotel Urlaub machte, vermisst wurde. Ihren Wagen hätte man auf einem Parkplatz vor einem großen Einkaufszentrum in Kaiserslautern ohne Hinweis auf ihren Verbleib gefunden, aber die Spuren würden an die Mosel führen. Robert wurde es ganz heiß als er das gelesen hatte. Spuren er hatte doch gar keine hinterlassen, oder hatte er etwas übersehen? Er war fix und fertig und wusste nicht mehr ein noch aus, denn Hannelore ging es immer schlechter. Sie hatte in den paar Tagen schon sichtbar abgeholt, und das Schreien hatte auch noch nicht aufgehört. Es vergingen noch ein paar Tage und es hatte sich nichts geändert, außer das Hannelore nun im Koma lag. Von dem ganzen Geschrei und dem nicht Essen war sie so schwach geworden, das sie nicht mehr aufwachte. Nein, das war nicht die Frau die er begehrte, das war eine andere Hannelore die er gerne gehabt hätte. Was sollte er tun? Nach reiflicher Überlegung kam Robert zu dem Schluss, am besten wäre es, wenn er Hannelore in der Nacht, irgendwo auf einer Sitzbank ablegen würde, denn gesehen hatte sie außer seinem Gesicht und seiner Figur nichts von ihm. Gedacht, getan, noch in der gleichen Nacht holte Robert Hannelore mit all ihren Sachen aus dem Keller und brachte sie zum Palastgarten, legte sie mit ihren Sachen auf eine Parkbank und verließ ungesehen den Park. Natürlich hatte er alles was er angefasst hatte auch wieder abgewischt, und auch alle Spuren im Wochenendhaus hatte er beseitigt. Zwei Tage später stand im Trierer TV man hätte die vermisste Touristin gefunden, sie wäre entführt worden, könne aber keine Angaben zu der Entführung selbst machen, außer das der Entführer Wolfgang Hauser heissen würde und in Kaiserslautern wohnen würde. Der gesundheitliche Zustand der Entführten wäre bedenklich. Robert dachte, nach dem er dass gelesen hatte, wie gut doch sein Plan und seine Vorbereitungen waren, und war sich vollkommen sicher dieses Mal noch davongekommen zu sein. Eine Woche später. Robert arbeitete mit einem Kollegen auf dem Dach und hatte Hannelore schon fast vergessen. Der Kollege rutschte aus, verlor das Gleichgewicht, kippte über den Dachrand, und nur der Geistesgegenwart von Robert, der das Sicherungsseil des Kollegen ergriff, um sich wickelte und sich am Schornstein festhielt, war es zu verdanken, das der Kollege mit einem gebrochenen Arm davon gekommen war. Robert wurde als Held gefeiert. Robert der Lebensretter, sogar ein Bild von ihm war in der Zeitung. Einen Tag, nach dem Robert in der Zeitung stand, abends siebzehn Uhr dreißig, klingelte es in Roberts Apartment. Er war gerade mit duschen fertig und sich am anziehen. Arglos öffnete Robert die Tür und was er erblickte machte ihn starr vor Schreck. Mehrere Polizisten standen vor seiner Eingangstür, einer sagte, sind sie Robert Fleischer, sie sind verhaftet. Frau Hannelore Laudwein, derzeit noch im Mutterkrankenhaus Trier liegend, hat Anzeige gegen sie erstattet wegen schwerer Körperverletzung und Entführung. Robert war sprachlos. Auch bei der Verhandlung brachte Robert kein einziges Wort hervor, denn er hätte Hannelore nur allzu gerne gesagt wie sehr er seine Tat bereute.