Hirschmann, Karl G.

Herzblatt für mein Kniegelenk

Der auf jugendlich getrimmte Moderator betritt frisch aufgestylt und flotten Schrittes den Raum und ein leises Raunen zieht durch die vollbesetzten Ränge.

„Ein herzliches Grüß Gott an alle Zuschauer hier im Saal und zu Hause an den Fernsehschirmen, ich begrüße Sie zu einer weiteren Folge unserer beliebten Kandidaten-Show Herzblatt!“, trompetet er fröhlich in die Runde.

Unvermittelt brandet Applaus auf.

Reinhold Feldrich schlendert vorwärts, dorthin, wo die drei Kandidaten bereits wie ungeduldige Wellensittiche auf der Stange warten. Die drei sitzen in betont lässigen Körperhaltungen auf ihren Barhockern.

Kandidat 1, ein grauhaariger, muskelgestählter, drahtiger Bursche, der etwa so aussieht wie ein Leitwolf in der Achterbahn, winkt etwas knurrig ins Publikum.

Kandidat 2 wiehert wie ein Pferd, er hat ein rosafarbenes, rundes, pausbackiges Baby-Milchgesicht und einen blonden Bürstenhaarschnitt. Kandidat 2 ähnelt somit tatsächlich eindeutig einer Saugschmerle aus dem Aquarium. Er lässt die Schultern urplötzlich nach vorne hängen, so als ob er ein Gummipuppen-Dummy kurz vor dem Zusammenbruch wäre.

Kandidat 3, der von Kopf bis Fuß frappierende Ähnlichkeit mit einem Nadelfisch aufweist, so hager, kraft- und farblos wirkt er, rülpst und hält sich die Hand verschämt vor die Kiemen. „Sorry“, murmelt er.

Reinhold: „Und hier sind unsere drei Kandidaten! Wenn Sie sich bitte dem Publikum vorstellen möchten!“

Reinhold macht eine elegante Handbewegung und eröffnet somit Kandidat 1 das Gesprächsfeld.

Kandidat 1: „Ich heiße Philipp Schneidewolf, bin 45 Jahre alt und komme aus Darmstadt. Ich bin Chefarzt der Chirurgie und als solcher Spezialist für Amputationen jeglicher Art. Von der kleinen Zehe bis hinauf zur kaputten Schädeldecke amputiere ich zuverlässig alles, was mir in die Quere kommt. Und, ich amputiere jedes Organ nur einmal! Dafür übernehme ich auch eine lebenslange Garantie!“

„Sehr schön, Kandidat 1“, flötet Reinhold, „und nun zu dir, Kandidat 2, wer bist du?“

Kandidat 2: „Mein Name ist Kasimir Saugglocke. Ich bin 42 Jahre alt, Chefarzt der Gynäkologie in Paderborn. Meine Spezialitäten sind Unterwasser-Geburten im Mariannengraben sowie Raketen-Geburten im Weltall. Und wenn es dabei zu atmosphärischen Störungen meinen Patienten gegenüber kommt, lässt mich das völlig kalt, denn atmosphärische Störungen sind mein Spezialgebiet. Darüber habe ich sogar habilitiert und promoviert!“

„Ist das nicht dasselbe?“, unterbricht Reinhold, etwas unsicher wirkend.

„Keine Ahnung“, meint Kasimir Saugglocke.

„Ok, lassen wir die Details. Kandidat 3, könntest du dich nun bitte kurz vorstellen?“

Kandidat 3: „Ich bin Ferdinand Nadelpieks, 39 Jahre alt, und ebenfalls Chefarzt. Allerdings bin ich Chefarzt der Anästhesie. Ich komme aus der schönen Stadt Öhringen in Baden-Württemberg. Weltweit bekannt wurde ich durch meinen Eingespritzten Wundbrand und meine einmalige DJ-Holzhammermethode.“

„Ha, ha, Sie sind mir vielleicht ein Witzbold, Dr. Nadelpieks,“ grinst Reinhold Feldrich, „´mal sehen, wie ihr Humor bei der Damenwelt ankommt. Begrüßen Sie nun mit mir gemeinsam unsere heutige Kandidatin! Sie weiß natürlich nicht, welche interessanten Berufen unsere drei Kandidaten ausüben. Das ist und bleibt unser Geheimnis und unsere männlichen Hauptpersonen auf den Barhockern hier dürfen sie nicht an unsere Kandidatin verraten!“

Die Trennwand fährt langsam hoch, hinter denen die drei Doktores nun verschwinden. Auf einer Leinwand leuchten der Name und der Beruf der weiblichen Kandidatin auf. Erneut geht ein Raunen durch den Saal. Einige kichern. Dort steht in großen Lettern: Forensa Spurensucher, Pathologin.

Eine sicher wirkende, blonde Mitdreißigerin mit halblangen, lockigen Haaren stolziert im gelben Kostüm und schwarzen High-Heels auf die Bühne. Sie setzt sich grazil auf den Barhocker vor der Trennwand.

Es ertönt eine leise Glocke.

Die Kandidatin stellt sich vor: „Mein Name ist Forensa Spurensucher. In meinem Beruf beschäftige ich mich ausführlich mit Menschen. Wie sieht dein Innenleben aus und wie überzeugst du mich, Kandidat 1, dass gerade du der Mann meiner Wahl bist?“

Kandidat 1, der Chirurg: „ Meine liebe Forensa, wen interessiert denn heute mein Innenleben. Du bist doch hier die Hauptperson und ich verspreche dir, dass ich mich nach kürzester Zeit bestens mit deinem Innenleben auskennen werde, äh, deinem seelischen Innenleben natürlich. Und wenn dir einmal eine Laus über die Leber gelaufen ist, bin gerade ich hundertprozentig dein Mann. Und solltest du tatsächlich einmal Gift und Galle speien, so ist das für mich überhaupt kein Problem. Ich werde mich gut in deine Problemzonen hineinfühlen. Langt dir das für´s erste, liebe Forensa?“

Forensa: „Klar, Kandidat 1, du machst mich sehr neugierig! Nun zu dir, Kandidat 2, wie eroberst du mein Vertrauen?

Kandidat 2, der Gynäkologe: „Das ist doch ganz einfach, liebe Forensa, du kannst es dir bei mir auf meinem Liegestuhl so richtig bequem machen und dich so richtig zurückfallen lassen. Ich lege eine Entspannungs-CD mit Meeresrauschen ein und berühre dich ganz sanft. Wir könnten auch gemeinsam Fernsehsendungen am Bildschirm anschauen. Ich liebe das Kinderprogramm. Du wirst sehen, wie rasch die Zeit mit uns vergeht, ohne dass es dir langweilig werden wird. Du musst vielleicht ein paar Monate Geduld mit mir haben, bis du meine inneren Werte so richtig erkennen kannst!“

Forensa: „Klingt irgendwie mystisch, Kandidat 2, wie meinst du das ?“

Kandidat 2: „Na, ich bin nicht so der klassische Draufgänger wie die Kandidaten 1 und 3, Forensa, sondern eher der etwas abwartende Typ!“

Forensa: „Ach so, habe verstanden, das macht dich wirklich interessant! Kandidat Nummer 3, weshalb wähle ich gerade dich?“

Kandidat 3, der Anästhesist: „Tja, Forensa, wohlschmeckende Cocktails in allen Variationen sind meine Spezialität. Du wirst bei mir tatsächlich bis in die Haarspitzen verwöhnt werden. Ich mixe dir Getränke, auch antialkoholische, von deren Existenz du nicht einmal in deinen kühnsten Träumen etwas geahnt hast. Ganz besonders ans Herz legen werde ich dir meine preisprämierten Schlummercocktails, die dich jeden Abend sanft abgleiten lassen in das Land deiner Fantasie. Na, neugierig geworden, Forensa?“

Forensa: „Schön, Kandidat 3, dass du so viel von dir preisgibst! Nun, meine zweite Frage. Kandidat 1, stell´dir vor, wir beide, du und ich, wir sind auf einer einsamen Insel und ich knicke am Strand um und verdrehe mir mein Kniegelenk. Wie heilst du mich?

Kandidat 1, der Chirurg: „Dein Kniegelenk, liebe Forensa, stellt für mich überhaupt kein Problem dar. Da du ja mit Nachnamen Spurensucher heißt, werden wir gemeinsam am Strand spazieren gehen und dort nach unseren gemeinsamen Spuren suchen. Ich werde dir zunächst Meerschlammpackungen verabreichen. Und dann haben wir ja auch noch mein Messer dabei!“

Forensa, etwas unsicher wirkend: „Wie meinst du das mit dem Messer, Kandidat 1?“

Kandidat 1, der Chirurg, selbstsicher: „ Mit dem Messer werde ich dir ein Herz in den Sand ritzen, in das ich mich mit dir setzen werde. Dann wirst du schon sehen, wie deine Schmerzen von ganz alleine weggehen!“

Forensa: „Gut geantwortet. Kandidat 2, wie behandelst du meine Verletzung?“

Kandidat 2, der Gynäkologe: „Tja, lass´ mich ganz kurz überlegen, Forensa. Wie du weißt, bin ich eher etwas schüchtern. Ich werde die Situation nicht so schamlos ausnützen wie Kandidat 1, dessen kannst du dir sicher sein. Ich werde in jedem Fall an deinem Kniegelenk nur ein klein wenig ziehen und zerren, bis es wieder richtig liegt. Ich werde deinen Kopf in meinen geschickten Händen halten und du wirst dein Knie vielleicht etwas gegen den Sand pressen müssen. Wenn dann Wind sanft zu wehen beginnt, werde ich in meinem Element sein!“

Forensa rümpft etwas die Nase: „Nun gut, Kandidat 3, wie rettest du mich?“

Kandidat 3, der Anästhesist: „Forensa, ich mache mich auf und suche nach Trinkwasser. Aus dem Meersalz, den Algen und dem Kot des Hammerhai-Männchens, werde ich dir ein Getränk zubereiten, das du trinken musst und das dein Knie heilen wird! Bist du nun zufrieden?“

Forensa: „Igittigitt, klingt ja scheußlich. Und du lässt mich also ganz alleine mit meiner Verletzung am Strand zurück, während du auf Trinkwassersuche gehst?“

Kandidat 3, der Anästhesist, zögert ein wenig: „So genau hab´ich das gar nicht bedacht, Forensa.“

Forensa: „Du wirkst sehr unentschlossen auf mich, Kandidat 3. Kann das sein?“

Stille.

Nun ertönt eine weibliche Säuselstimme aus dem Hintergrund:

„Nun, liebe Forensa, genug gefragt, nun musst du dich entscheiden, wen du als dein Herzblatt auserwählst. Wählst du Kandidat Nummer 1, den Spurensucher, der bald dein gesamtes Innenleben in und auswendig kennt und der dir mit dem Messer Herzen in den Sand ritzt oder wählst du Kandidat Nummer 2, den schüchternen Liegestuhlbesitzer, der mit seinen geschickten Händen für dich Entspannungs-CD´s einlegt oder wählst du Kandidat Nummer 3, das draufgängerische Hammerhai-Männchen, das dir am Strand antialkoholische Getränke bis zum Abwinken mixt? Nun musst du dich entscheiden, liebe Forensa. Wer soll dein Herzblatt sein?“

Forensa, etwas ironisch: „Das ist ganz einfach, Reinhold. Ich wähle natürlich Kandidat Nummer 1, denn die mit dem Messer geritzten Herzen haben mich total überzeugt. Das klingt so romantisch! Und wir beide, Kandidat 1, du und ich, wir werden ganz bestimmt noch viel Vergnügen miteinander haben, wenn du endlich vor mir liegst“, fügt sie noch vielsagend hinzu.

Reinhold: „Und das ist dein Herzblatt, Forensa!“

 

 

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Mihi quidem Antiochum, quem audis, satis belle videris attendere. Hanc igitur quoque transfer in animum dirigentes.

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Tamen a proposito, inquam, aberramus. Non igitur potestis voluptate omnia dirigentes aut tueri aut retinere virtutem.