Friedrich, Andreas

Herzen im Dreivierteltakt

Arne befindet sich zum Jahresausklang im italienischen Südtirol.

„Da muss ich doch meine italienischen Grundkenntnisse reanimieren“, überlegt er.

Im modisch sportlichen Outfit macht es sich Arne in einer gemütlichen Nische der

Hotelbar bequem. Er winkt dem Geschöpf hinter dem Tresen: „Süß, die Kleine.“

Dunkelbraune Haare umschließen als Schüttelschnitt ein verzauberndes Lächeln. Im

süßen Dirndl serviert sie ihm den Drink: „Bitte sehr!“ Kein „Per favore!“ – akzentfreies

Deutsch mit vertraut süddeutsch klingender Nuance.

 

Arne erinnert sich: In Südtirol wachsen die Kinder mehrsprachig auf: deutsch,

italienisch oder manchmal auch retroromanisch. All das legt Zeugnis ab über die

Gebietsansprüche römischer, italienischer, französischer und österreichischer

Herrscher in vielen Jahrhunderten.

Festlich ausstaffierte Menschen verabschieden das alte Jahr – Silvester.

 

Arne trägt einen schwarzen Anzug. Nora serviert im schwarzen Minikleid und flachen

schwarzen Ballerinas die festen und flüssigen Gaumenfreuden. Heiße Rhythmen lassen

bei den tanzenden Paaren erste Schweißtropfen perlen.

Gegen Mitternacht schwappt die Musik in ruhiges „Tanzwasser“.

„Zwei Herzen im Dreivierteltakt“ – ein Wiener Walzer erklingt.

Arne bittet „seine“ Bedienung um diesen Tanz.

„Ich kann doch gar nicht tanzen ...“, strahlt Nora ihn an.

„Ich auch nicht! Es wird schon …“, entgegnet Arne und führt Nora auf die Tanzfläche. Seine Hände umschließen ihre Taille. Ihre liegen entspannt auf seinen Schultern. Rot angemalte Fingernägel heben sich dezent von all dem Schwarz ab.

Jetzt erst bemerkt Arne: „Nora ist ja ein wenig größer als ich. Von wegen Kleine ...“

Sie drehen sich beide im Takt dieses Wiener Walzers dem kommenden Jahr entgegen ...

 

Am Neujahrsabend plaudert es sich angenehm in feucht-fröhlicher Weinrunde über

all die geplanten Vorhaben des Jahres: Projekte, Reisen, Liebe – eben Geschichten,

die unser Leben bewegt.

Nora lässt sich von den Gästen die Zimmernummern zur Abrechnung geben. Einzig

Arne fragt sie nicht.

Erstauntes Raunen am Tisch. „Nun ja …“, sinniert halblaut Arne, „wie findet Nora wohl sonst mein Zimmer ...?“

Plötzlich meldet sich am anderen Ende des Raumes eine vertraute Stimme: „Das habe ich gehört.“

 

Schmunzelnde Gesichter erahnen geheimes Geschehen ...