Ehrig, Katalin

Mausis Abenteuer

Ich bin Mausi und ich bin eine kleine, weiße Computermaus.

Den ganzen Tag hänge ich an der Tastatur eines Computers. Natürlich ist es ein Mac-Computer. An einen Window-Computer würde ich mich niemals ketten lassen.  

Meine Besitzerin Biba Lösch schiebt mich den ganzen Tag hin und hier. Manchmal drei oder vier Stunden lang. Das ist ganz schön anstrengend und mein Bauch tut oft weh. Manchmal sitzt auch der dicke Kater Findefuchs mit am Computer. Dann hoffe ich immer, dass er mich nicht erkennt und mich auffrisst. Meine Besitzerin schaut sich am Computer oft die Internetseite von der Diddl-Maus an. Der Typ ist echt süß, aber ich finde, er hat etwas zu große Ohren.

Am schlimmsten für mich ist es, wenn Biba leckere Kochrezepte am Computer ansieht. Dann bekomme ich ziemlichen Hunger und fange vor Aufregung an zu zucken.

Von meiner Besitzerin ist dann immer mit zarter Stimme zu hören: „Diese Scheiß Maus geht wieder nicht!”

Das ist dann das Zeichen, dass ich mich auf was anderes konzen-trieren muss. Jedenfalls hänge ich jeden Tag mit einem Kabel an der Tastatur ... aber nachts, wenn fast alle schlafen, außer dem Staubsauger und dem Papagei, verwandle ich mich in eine echte Maus. Ich befrei mich dann von meinem Kabel und mache mich auf den Weg in die Küche.

Der Weg zur Küche ist nicht ohne Gefahr. Erst muss ich die große Holzstufe zur Flurtür hochklettern. Da kann man sich leicht ein Bein brechen oder zwischen den schlecht verlegten Holzplatten ein Bein einklemmen. Dann könnte der dicke Kater mich ganz einfach fangen und fressen.

Nachdem ich die Holztreppe mit viel Mühe überwunden habe, laufe ich weiter den langen Weg durch den großen Flur. Hier gibt es einen schönen bunten Teppich, auf dem eine kleine Tischtennisplatte steht. Dieses Stück ist besonders gefährlich, da es dort nichts zu verstecken gibt. Wenn dort plötzlich der Kater von der Seite rausspringt, dann macht er mich sofort auf dem schö-nen Teppich kalt und frisst mich auf. Aber wenn ich diesen Weg bis zum Ende der Tischtennisplatte geschafft habe, dann ist es nur noch ein kurzer Weg zur Küche. Dort finde ich dann viele leckere Sachen. Frisches Brot, leckere Kompostabfälle, alte Eier-schalen. Manchmal sind in der Futterschüssel von dem dicken Kater noch Reste drin. Die stopfe ich dann schnell in mich rein. Aber ich muss dann immer aufpassen, dass er nicht plötzlich um die Ecke kommt und mich vernascht. Nur Süßigkeiten kann ich hier nicht finden. Das ist gemein, weil ich am liebsten Schokolade mag.

So vergeht jede Nacht. Aber pünktlich morgens um 6 Uhr muss ich wieder an meinem Kabel hängen.

Heute ist der 5. Dezember. Es ist mittlerweile sehr später Abend. Und heute ist irgendwie alles anders. Schon nach dem Abendessen war alles anders.

Nachdem meine Besitzerin Biba mich noch eine Stunde lang mit hin- und herschieben und manchmal hochnehmen und wieder auf den Tisch knallen gequält hat, stellte sie mitten in den Raum ihre schönen lilanen Winterstiefel. Und auch die anderen Kinder kamen alle und stellten ihre Schuhe mitten in den Raum. Selbst der schlampige Louis kam und stellte etwas sandige Schuhe in den Raum. Danach verschwanden alle und ich blieb allein mit den Schuhen, dem Staubsauger und dem Papagei. Da ich wirklich sehr großen Hunger hatte, machte ich mich von meinem Kabel ab. Gerade als ich vom Tisch auf den Stuhl klettern wollte, ging die Tür auf und ein fremdes Wesen stand in der Tür. Noch nie hatte ich diesen Typen hier gesehen.

Was will der hier? Bestimmt ist es ein Einbrecher. Was soll ich machen? Ich könnte zum Computer klettern und schnell einen Notruf absenden. Aber das würde der Fremde bemerken, da er dann das Licht des Computers sehen würde. Also verstecke ich mich schnell hinter dem Scanner, der auch auf dem Tisch steht, und beobachte, was der merkwürdige Fremde mit der großen, roten Jacke hier will.

Mit großen, schweren Schritten geht er auf die Stiefel zu, die mitten im Raum stehen. Oh je, er will die Schuhe klauen. Das ist wirklich ungeheuerlich. Wer macht so was? Er bricht hier ein um die schönen lila Stiefel von der Biba zu klauen. Ich kann es aber nicht verhindern, ich bin einfach zu klein. Also schau ich weiter zu. Der merkwürdige Typ stellt sich neben die Stiefel, bückt sich runter und öffnet einen großen, braunen Wollsack. Er greift mit seinen dicken Handschuhen hinein und holt viele glitzernde Dinge heraus. Die ganzen bunten Sachen verteilt er in die Stiefel. Ich wundere mich sehr. Was ist das für ein Einbrecher?

Ein normaler Einbrecher nimmt die Sachen mit und bringt sie nicht her. Hier stimmt etwas nicht.

Der merkwürdige Typ stellt alle Schuhe gerade hin und verlässt ganz leise den Raum. Noch nicht mal die Hunde haben ihn be-merkt, sonst würden sie bellen.

Ich sitze noch zitternd hinterm Scanner und warte ab, ob er nicht nochmal zurückkommt. Nach einiger Zeit schleiche ich auf meinen mini Mäusefüßen hervor und klettere vom Tisch auf den Stuhl und vom Stuhl hüpfe ich dann auf den Boden. Ich gucke nach links und rechts, ob nicht irgendwo der dicke Kater auf der Lauer liegt und laufe schnell rüber unter die rote Couch. Dort kann mich der Kater nicht fangen, weil er zu dick ist und nicht unter die Couch passt. Von hier aus habe ich einen guten Blick auf die Stiefel und ich kann erst mal von weitem nachsehen, was da so glitzert. Als ich mir sicher bin, dass niemand im Raum ist, mache ich mich auf zu den Stiefeln. Ich komme immer näher und näher und mir steigt ein Duft in die Nase, der so … so … so … lecker ist. Ich fange wieder an zu zittern und zu zucken, aber zum Glück hänge ich jetzt nicht am Kabel. Zitternd erreiche ich die lila Winterstiefel und klettere an ihnen hoch.

Was ich da sehe und rieche, kann ich gar nicht beschreiben. Viele bunte Schokokugeln glitzern mir entgegen, leckere Zuckerstangen wackeln bunt am Schuh und das leckerste sind die tollen Schokoladenplätzchen. Ich kann mich nicht mehr beherrschen und stürze mich auf die ganzen süßen Sachen und esse und esse ... bis ich fast platze.

Mittlerweile ist es schon 5.30 Uhr und ich muss mich auf den Weg zurück an den Computer machen. Der Weg ist noch ziemlich weit und riskant. Ich eile wieder unter die Couch und von da zum Stuhl. Ich versuche an der Stuhllehne hochzuklettern, aber mein Bauch ist so schwer und ich kann mich nicht halten. Immer wieder versuche ich es und knalle runter und lande auf dem Boden. So ein Mist. Das hat man davon, wenn man so viel Süßes isst. Ich versuche es nochmal, aber ich schaffe es nicht. Ich falle wieder runter und diesmal auf den Rücken. Ich kann mich auch nicht umdrehen, da ja alle meine vier Füße in die Luft gestreckt sind und mein Bauch so dick ist, dass ich mich selbst nicht drehen kann. Ich bin verzweifelt. Was mache ich jetzt, wenn der dicke Kater kommt? Dann frisst er mich und ich bin weg.

Natürlich bin ich dann auch als Computermaus weg. Und Biba bekommt wieder Ärger, dass sie die Maus verschmissen hat.

Dabei hat der Kater mich gefressen. Mir gehen schreckliche Dinge durch den Kopf als plötzlich der Gong der Uhr ertönt. Ich zähle leise mit. Es hat sechs Mal gegongt. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Ich bin so glücklich, denn Punkt sechs Uhr verwandle ich mich in eine Computermaus zurück.

Wenig später höre ich die liebliche Stimme von Biba. „Kommt mal alle her, der Nikolaus war da!”, ruft sie ganz außer Atem.

Alle Kinder stürmen den Raum und freuen sich über die vielen Sachen. „Ich glaube der Nikolaus ist ein ziemlicher Trampel, der hat meine Computermaus runtergeschmissen”, höre ich Biba rufen. So ein Glück denke ich mir, diesmal konnte sie es auf den Nikolaus schieben.