Kurzgeschichten-Wettbewerb Hund-Hund-Hund
ISBN 978-3-96753-172-5 - 16,90 € -
erhältlich ab 15.10.2023 im regionalen Buchhandel, Amazon und Verlags-Shop.
ebook-Amazon kindle - auch ab 15.10.2023 - Preis 8,45 €.
Mareike Bürger
Ein Hundemorgen
Heute Morgen weckt mich das weitentfernte Pfeifen meines Frauchens. Ich öffne halbherzig die Augen, nur um mich anschließend mehr in meine Decke einzukuscheln. Sie pfeift wieder. Ich recke die Nase in die Luft, um herauszufinden, ob sie es mit Leckerlies versucht. Fehlanzeige.
Ich beschließe, die Frau weiter zu ignorieren. Draußen wird es gerade erst hell und Herrchen liegt ebenfalls noch im Bett. Frauchen pfeift wieder und streckt ihren Kopf zur Tür hinein. „Mary, komm jetzt!”, sagt sie energisch.
Ich habe wohl keine andere Wahl.
Auf dem Weg zu ihr strecke ich mich genüsslich. Ein lautes Fiepen begleitet mein Gähnen. Frauchen verdreht die Augen. Ich folge ihr in den Flur, in dem sie die Leine vom Haken nimmt und einen Ball einsteckt. Es geht zum Spielen in den Park. Hätte sie auch gleich sagen können.
Plötzlich bin ich hellwach und kann es nicht mehr erwarten. Frauchen befestigt die Leine am Halsband und zieht die Haustür hinter uns zu. „Lass uns lieber rennen! Wir dürfen keine Zeit verlieren”, schlage ich vor und laufe los.
Blöderweise befindet sich zwischen uns diese Schnur, die mich daran hindert, schneller voranzukommen. Und Frauchen liegt wohl doch noch mit einem Bein im Bett. Denn immer, wenn ich an der Leine rucke, um sie hinter mir herzuziehen, bleibt sie stehen. Erst wenn ich zu ihr zurückkomme, geht sie weiter. Warum versteht sie nicht, dass wir viel schneller in den Park kommen, wenn sie mitrennt?
„Los! Los!”, belle ich. „Ich kann die Wiese schon riechen.“ Es folgt ein scharfes: „Nein!”
Ich zucke zusammen. Was ist denn jetzt? Es sind nur noch ein paar Meter und sie hat nichts Besseres zu tun, als erneut stehenzubleiben und die Zeit zu vertrödeln. Ich renne zurück.
„Du hörst jetzt auf mit dem Ziehen! Ansonsten drehen wir um und gehen nach Hause.“ Frauchen scheint mächtig sauer zu sein. Ihre Augenbrauen ziehen sich zusammen und sie hat diesen fiesen Ausdruck in den Augen.
Da ich keine Lust auf Diskussionen habe, versuche ich ihre Stimmung aufzuheitern. Ich lege den Kopf schief und schaue sie mit dem süßesten Hundeblick an. Das tue ich immer, wenn ich mit ihr nicht weiterweiß. Denn anschließend passiert Folgendes: „Du bist so süß“, sagt sie. Ihr Gesicht entspannt sich und ich sehe den Anflug eines Lächelns. Sie wirft mir ein Leckerli zu und tätschelt meinen Kopf. „Eine Feine bist du”, redet sie weiter.
Ich genieße die warmen Worte, bis mir wieder einfällt, wo wir hinwollen. Schwanzwedelnd setze ich mich in Gang.
Frauchen folgt mir und endlich sind wir angekommen.
Im Park kann ich es kaum erwarten, die Leine loszuwerden. Frauchen löst den Haken und sagt: „Lauf!” Das ist mein Stichwort. Mein Fell weht im Wind. Ich spüre den Tau der Wiese unter meinen Pfoten. Die Morgensonne wärmt mir den Pelz. Es ist wunderbar. Aber warte. Wo ist das Spielzeug? Ah! Frauchen packt es gerade aus. Bevor ich hinterherrennen darf, muss ich mich hinlegen.
„Auch beim Spielen gibt es Regeln“, hat sie mir erklärt, als ich noch ein Welpe war. Damals bin ich wie verrückt an ihr hochgesprungen, um an den Ball zu kommen. Für mich war das ein riesiger Spaß, für sie allerdings nicht. Seitdem fliegt der Ball erst, wenn ich unten bleibe und warte.
Ist der Ball unterwegs, dann gibt es kein Halten mehr. Ich renne im Eiltempo hinterher. Der Ball titscht auf und fliegt in die Luft. Ich springe und … verfehle ihn knapp.
Wo ist er gelandet? Ich drehe mich von links nach rechts und zurück. Nichts zu sehen. Es ist Zeit, die Nase einzusetzen. „Such!”, spornt Frauchen mich an. Und da hinten, gleich neben dem Baum, erschnüffle ich mein Zielobjekt.
„Super!“, lobt Frauchen. „Jetzt bring mir den Ball!“
Mittlerweile tue ich ihr den Gefallen. Dafür fordere ich jedoch ein Leckerchen. Denn: Auch beim Spielen gibt es Regeln.
Viel zu früh steckt Frauchen den Ball zurück in die Tasche. Enttäuscht versuche ich es wieder mit dem süßen Hundeblick. Diesmal funktioniert es leider nicht.
Also beschließe ich, mich im Bach abzukühlen. Bachwasser ist das beste Wasser. Umso trüber, desto schmackhafter. Ich nehme einen großen Schluck. Danach lege ich mich hinein. Gerade so, dass das Wasser meinen Bauch berührt. Ein wohliger Schauer durchzieht mich.
Nach einem Bad gibt es nichts Besseres, als den ganzen Körper zu schütteln. Frauchen schreit auf, springt zur Seite und wischt sich ein paar bräunliche Tropfen aus dem Gesicht. Währenddessen bin ich schon auf dem Weg zur Wiese. Zuerst rubble ich mein Gesicht über das Grün. Dann lasse ich mich zur Seite plumpsen und es folgt der ganze Körper. Um meinen Rücken zu schubbern, schiebe ich den Hintern hin und her.
Den restlichen Weg trödle ich durch die Wiese. Manchmal, so wie heute, habe ich Glück und rieche etwas Leckeres. In solchen Momenten muss ich geschickt vorgehen, denn, aus welchen Gründen auch immer, kann Frauchen es nicht leiden, wenn ich gefundene Dinge esse. Also tue ich so, als schnüffele ich nur hier und da. In Wirklichkeit führt mich meine Nase zu einem Brötchen – lecker mit Leberwurst. Es ist durchgematscht und an der Seite leicht grün und pelzig.
Ich möchte gerade reinbeißen, als Frauchen mich erwischt. Sie ruft: „Mary, komm!” Und wenn ich das höre, lasse ich zu neunundneunzig Prozent alles stehen und liegen und renne zu ihr. Egal ob Spielzeug, Hundekumpels oder Hase. Nichts ist so wichtig wie die Futterbelohnung für eine erfolgreiche Umkehr. Nur in einem Prozent der Fälle sehe ich keinen Sinn darin, zu ihr zu laufen. Nämlich dann, wenn die besondere Portion Futter in Form eines Leberwurstbrötchens schon auf der Wiese liegt.
Frauchen stampft mir wütend entgegen. „Nein! Lass das!”, brüllt sie. Sie kommt immer näher. Mir bleibt keine Zeit, um zu kauen. Sie möchte mich gerade am Halsband packen, doch kurz vorher schaffe ich es, ihr zu entwichen. Schnell mache ich mich davon.
„Hier hin jetzt!” Frauchen zeigt vor ihre Füße.
Ich huste ein paar Mal, weil mir das Brötchen noch halb im Hals steckt. Dann füge ich mich der Anweisung und trotte in geduckter Haltung zurück. Natürlich weiß ich, dass die Aktion nicht richtig war.
Auf dem Weg nach Hause herrscht dicke Luft. Deshalb benehme ich mich jetzt. Frauchen scheint das jedoch nicht zu bemerken. Zuhause angekommen darf ich die Wohnung nicht betreten. Frauchen nimmt mich auf den Arm und trägt mich ins Badezimmer. Ich ahne, was sie vorhat und es gefällt mir nicht. Trotzdem stehe ich ein paar Sekunden später in der Badewanne. Frauchen dreht die Brause auf und geht mir mit dem Wasser durch das Fell. Unter meinen Pfoten bildet sich eine braune Pfütze.
„Wenn du im dreckigen Bachwasser liegen kannst, dann hältst du auch die Dusche aus”, sagt sie. Die Genugtuung in ihrer Stimme entgeht mir nicht. Nachdem sie meine Beine shampooniert und anschließend ausgewaschen hat, ist es, Hundegott sei Dank, vorbei. „Hey!”, sagt sie lächelnd und hält sich das Handtuch schützend vor ihr Gesicht.
Tut mir leid, aber Schütteln muss eben sein. Und dann werde ich abgerubbelt, geföhnt und gebürstet.
Nebenbei versuche ich, meine Frisur wieder in Form zu lecken. Nach der Prozedur verteilt Frauchen ein paar Küsschen und gibt mir Frühstück.
Das war ein toller Hundemorgen.