Fantastische Keltenwelt

Andresen, Lorenz P.

Warum war ich wach? Ein Blick auf den Wecker verriet mir, dass es 2 Uhr nachts war. Ein Knarren, gefolgt von einem Pfeifen, vermutlich verursacht von dem kalten Wind, der nun meine nackten Beine streifte, ließ mich erschauern. Ich hob den Kopf und versuchte mit zusammengekniffenen Lidern der Dunkelheit zu trotzen, und die Quelle des Luftzuges ausfindig zu machen. Schließlich gab ich es auf, beugte mich rüber zur Nachttischlampe und knipste sie an.

 

Mein Blick flog sofort zu den im Wind flatternden Gardinen. Das Fenster, es war geöffnet. Für einen kurzen Moment stockte mir der Atem. Ich war mir sicher, dass ich nicht vergessen hatte es zu schließen. Eine kräftige Windböe ließ die Vorhänge von neuem erschüttern. Dieses Mal erreichte sie mein Gesicht, streichelte es. Ein seltsam, angenehmes Gefühl überkam mich.

 

Der immer stärker pfeifende Wind lockte mich zu sich, zog sanft an meinen Haaren, benebelte meine Sinne. Wie im Rausch stieg ich vorsichtig aus dem Bett und bugsierte meinen willigen Körper Richtung Fenster. Der Anblick, der sich mir bot, war atemberaubend. Die Bäume, Büsche und Sträucher, ja, der komplette Wald, waren von solch intensiven Farben, dass es in den Augen weh tat. Prachtvolles Gestrüpp, Pflanzen und andere Gaben der Natur reihten sich dicht aneinander und wehten harmonisch im Wind. Selbst aus dieser Entfernung konnte ich die betörenden Gerüche des Waldes wahrnehmen. Ich riss meine Augen von diesem Spektakel auf und richtete sie gen Himmel. Bis zu diesem Augenblick hatte ich niemals gedacht, dass Dunkelheit leuchten könne. Doch paradoxerweise tat sie es. Das dunkle Blau von oben strahlte mit einer hypnotisierenden Kraft auf die Welt hinab. Aber was mich am meisten beeindruckte, war der glitzernde Mond, der fast zur Gänze ausgefüllt am Himmel stand und mich eigenartigerweise geduldig zu betrachten schien. Ein kalter Luftzug wehte wütend durch meine Kleider, fuhr durch mein Haar und fegte peitschend über meine Haut. Wenn mir derselbe Luftzug einige Momente zuvor noch wie pure Sinnlichkeit vorgekommen war, so war dieser hier ein völlig anderer. Dicker Nebel drang sich vor mein Gesicht und zwang mich die Augen zu schließen. Plötzlich zogen sich meine Lungen krampfhaft zusammen. Ich bekam keine Luft mehr. In dem vergeblichen Versuch einen Atemzug zu tätigen, keuchte ich erstickt auf. Ich konnte die Luft um mich herum, schwer und belastend, immer noch fühlen. Sie schien mich nach vorne zu drücken, sich zu sich zu ziehen. Ich wusste, dass, wenn ich jetzt die Augen öffnete, würde ich dicht vor dem breit geöffneten Fenster stehen und drohen hinaus zu fallen. Ich ließ sie fest verschlossen.

 

Was siehst du?

 

Ein kratziges Flüstern drang sich in meinen Schädel.

 

Öffne die Augen. Was siehst du?

 

Bildete ich mir das ein? War dies etwa eine Folge des Sauerstoffmangels?

 

Ich öffnete sie. Enttäuschend stellte ich fest, dass der Wald wieder eine triste Ansammlung von farblosen Bäumen war. Außerdem stellte ich fest, dass ich nun sterben würde. Mein Oberkörper schwebte gefährlich weit draußen und entgegen all meinen Bemühungen konnte ich nichts daran ändern. Wenn mich der Sturz aus dem Fenster nicht umbringen würde, dann ganz bestimmt meine brennende Lunge, die jeden Moment zu implodieren drohte.

 

Was siehst du?

 

Am liebsten würde ich dieser nervigen Stimme antworten. Ihr sagen, dass ich gerade dabei war einen unfairen Kampf zu verlieren und dass es mir aufgrund dieser brenzligen Lage verständlicherweise verflucht nochmal egal war, was ich sah.

 

Das Krächzen hielt an. Immer wieder dieselben Worte.

 

Sieh hin!

 

Die Stimme wurde lauter, vibrierte in meinen Kopf, ließ mich aufschreien. Schmerzen. Schreckliche Schmerzen. Ein leichter Windstoß und ich fiel. Fiel immer tiefer. Ich sah noch einen einzelnen Vogel am Himmel seine Kreise ziehen, bevor ich nichts mehr wahrnahm, als den harten Boden, der mit erbarmungsloser Schnelligkeit immer weiter auf mich zukam.

 

Und dann öffnete ich meine Augen.